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Marx und Engels weichen BaustelleDer Schatten des Stadtschlosses

Ein Jahr vor dem Baubeginn des Humboldt-Forums eröffnet Kulturstaatssekretär Schmitz die Debatte über die Fortsetzung des preußischen Berlin bis zum Alex. Bis 2017 ist dort aber erst mal Baustelle

Baut auf, baut auf: Marx und Engels verlieren vorübergehend ihren angestammten Platz in Berlins Mitte Bild: dpa

Welche Mitte hätten Sie denn gern? Auf dem Schlossplatz ist die beliebte "Was bin ich"-Frage entschieden - zugunsten des Italo-Preußen-Entwurfs für das Stadtschloss von Francesco Stella. Geht es nach Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz, kann aber auch das Areal zwischen Spree und Fernsehturm noch ein bisschen Preußen vertragen. "Gegenüber dem Schloss und dem Rathaus war nie eine Brach- und Grünfläche", verriet Schmitz an Ostern der Deutschen Presseagentur. "Hier ist das Herz der Stadt. Das müssen und können wir zurückgewinnen, wenn die Politik es will."

Ein Hauch von Schlosspark

Auf dem Schlossplatz entsteht bis Ende Mai eine offene Rasenfläche. Mit der Grünanlage will die Stadt die Zeit bis zum Baubeginn des Humboldt-Forums überbrücken. Der Bund gründet eine eigene Stiftung für das Stadtschloss

Die Köpfe der Passanten drehen sich neugierig in Richtung Schlossplatz: Wo vor Kurzem noch eine große Baugrube hinter den Absperrgittern klaffte, sehen sie nun eine helle Sandfläche. Wind wirbelt die feinen Körner auf und trägt sie über das offene, weite Areal auf der Spreeinsel.

Auf der nun freien Fläche stand zuvor der Palast der Republik. In einem zweijährigen Abbauverfahren wurde das Gebäude jedoch abgerissen – oder „zurückgebaut“, wie es offiziell heißt. In Zukunft soll hier das Humboldt-Forum – weitgehend mit den Fassaden des einstigen Stadtschlosses – entstehen. Doch Baubeginn ist frühestens im Herbst 2010. In der Zwischenzeit sorgt die Stadt für eine angenehme Übergangslösung: Sie legt eine Grünfläche an.

„Anfang Mai werden wir den Rasen aussäen, danach bekommt er etwa sechs Wochen Zeit, um zu wachsen“, erklärt Manuela Damianakis, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Wann das Gelände komplett zugänglich wird, sei allerdings abhängig von der Witterung, der Rasen soll sich zunächst festigen. Ein Termin für die Eröffnung der Grünanlage steht daher bislang nicht fest.

Auf der westlichen Seite des Geländes ist die Entwicklung schon weiter. Bereits seit Oktober 2008 zeigt hier die Temporäre Kunsthalle Gegenwartskunst. Und schon jetzt können Besucher über befestigte Holzstege neben der Halle spazieren, die an den archäologischen Ausgrabungsstätten auf dem Schlossplatz vorbeiführen. Schautafeln informieren über Schlossgeschichte und das Bauvorhaben Humboldt-Forum.

Ähnlich soll die zweite Hälfte des Areals gestaltet werden. Die Rasenfläche auf der östlichen Hälfte des Platzes werden ebenfalls hölzerne Wege durchqueren, dennoch wird die Wiese auf dieser Seite begehbar sein. Den Abschluss der zur Spree hin abfälligen Erholungsfläche soll laut der Sprecherin eine Art Amphitheater bilden.

Möglich wurde diese Rasengestaltung durch die Aufschüttung der eigentlichen Baugrube – 18 Tonnen Füllboden, bestehend aus Sand und aufliegendem Mutterboden, waren hierfür nötig. Laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung belaufen sich die Kosten des Übergangskonzepts auf 1,3 Millionen Euro.

Unterdessen will der Bund zügig eine eigene Stiftung für das Stadtschloss auf den Weg bringen. Es sei vorgesehen, die Gründung bereits in der kommenden Woche im Kabinett zu beschließen, sagte eine Sprecherin des Bundesbauministeriums. Die Stiftung solle bis Anfang Juli mit ihrer Arbeit beginnen. Sie solle Bauherrin bei dem 552-Millionen-Euro-Projekt sein und auch Spenden sammeln, etwa für die barocken Schlossfassaden. Es sei jedoch keine „Konkurrenz“, sondern eine „Ergänzung“ zu dem privaten Förderverein Berliner Schloss. Dieser hatte zugesagt, mithilfe von Spenden die 80 Millionen Euro für die Rekonstruktion der Barockfassaden aufzubringen, bislang allerdings erst 10,6 Millionen Euro eingenommen. TERESA SITZMANN

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Kulturpolitiker Schmitz zu Stadtentwicklungsthemen äußert. Diesmal aber war der Zeitpunkt geschickt gewählt. Bis Ende des Monats soll der Senat dem Abgeordnetenhaus "stadtentwicklungspolitische Grundsätze" für die künftige Entwicklung des Areals von der Spree bis zum Alexanderplatz vorlegen. Wohlwissend, dass mit dem Bau des Humboldt-Forums die Debatte um die Mitte neu entfacht wird, hat Schmitz mit seiner Retroposition den Ton vorgegeben: Er plädiert für eine zeitgemäße Orientierung an den alten, heute verschwundenen Straßenverläufen sowie eine Bebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern und Hotels. In der SPD geht man zur Position des Parteigenossen Schmitz auf Distanz - wenigstens ein bisschen. "Es gibt in der Koalition Diskussionen darüber, ob man sich da auch eine partielle Bebauung vorstellen kann", meint der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler. Auf der anderen Seite aber solle auch der Grünanteil gesichert werden. Darauf habe sich die SPD auf der letzten Sitzung des Koalitionsausschusses mit der Linkspartei verständigt.

Ein klares "Warten wir mal ab" kommt auch von der CDU. Entscheidend sei der Bau des "Jahrhundertprojekts" Stadtschloss, meint der CDU-Kulturpolitiker Michael Braun, der das Ganze für eine "Sommerlochdebatte" hält: "Man sollte jetzt eins nach dem anderen machen."

Freilich kann Schmitz seine Rechnung ohne den Senat gemacht haben. "Im Koalitionsvertrag steht, dass das Planwerk Innenstadt Gültigkeit hat, und das sieht an dieser Stelle einen öffentlichen Grünraum vor", bekräftigt Senatsbaudirektorin Regula Lüscher gegenüber der taz. Ihre Verwaltung habe zusammen mit dem Bezirk Mitte deshalb ein Gutachten in Auftrag gegeben, "das die Qualifizierung des Freiraums zum Ziel hat".

Allerdings räumt auch Lüscher ein, dass mit der Fertigstellung des Humboldt-Forums der Druck auf das Marx-Engels-Forum und die Fläche vor dem Roten Rathaus zunehmen könnte. "Wir werden deshalb zu gegebener Zeit auch ein städtebauliches Verfahren einleiten", so Lüscher.

Vorerst aber wird das Testgelände für einen neuen Architekturstreit anderweitig genutzt. "Bis 2017 werden fast auf dem gesamten Marx-Engels-Forum Baustelleneinrichtungen stehen", kündigt Baudirektorin Lüscher an. Das betreffe sowohl die Einrichtungen für den Bau des Stadtschlosses als auch die Baustellen für die U-Bahnhöfe Rathaus und Humboldt-Forum.

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