■ Marlis Dürkop wirft das Handtuch: Enttäuschte Hoffnung
An Rücktrittsdrohungen haben es die Berliner Uni-PräsidentInnen nicht fehlen lassen, seit ihnen der Senat immer neue Einsparungen abverlangt. Marlis Dürkop hat den Schritt nun vollzogen. Die Begründung, sie protestiere damit gegen die geplante Streichung von Studiengängen, klingt zwar nach selbstlosem Opfer, ist aber nur die halbe Wahrheit. Die Reformhoffnungen, die sich an ihre Wahl im Juli 1992 geknüpft hatten, sind im bürokratischen Kleinkrieg erstickt. Von der Idee, im Osten die Fehler des westdeutschen Uni- Systems zu vermeiden, blieb nichts übrig. Es gelang nicht, die zentrale Lage zu nutzen und die Uni ins Leben der Stadt zu integrieren. Auch im Kampf gegen den Rotstift setzte die frühere AL-Abgeordnete mehr auf Geheimdiplomatie als auf öffentliche Mobilisierung. Offenen Widerstand gegen den Wissenschaftssenator wagte sie kaum. Die Erneuerung der Verwaltung scheiterte, was zu einigen Skandalen führte: von der „Kündigungsaffäre“, als die Kündigungsfrist von Mitarbeitern verschlafen wurde, bis zu peinlichen Pannen bei der Einführung der Prüfungsberatung, die sie nachträglich zu einem Akt des hinhaltenden Widerstands stilisierte.
Schon bei ihrem Amtsantritt klafften die Erwartungen an die Nachfolgerin von Heinrich Fink so weit auseinander, daß sie nicht gleichzeitig zu erfüllen waren. Die damalige Professorenmehrheit erhoffte sich eine nach innen schwache, gegenüber dem Wissenschaftssenator aber starke Präsidentin, die zudem nach außen Erneuerungswillen dokumentierte. Die Studierenden dagegen goutierten die reformfreudige Rhetorik der AL-Politikerin. Enttäuscht waren schließlich alle, nicht zuletzt Dürkop selbst, die immer lustloser agierte. „Wenn die materielle Existenz ungesichert ist, kann man auch nicht sehr fortschrittlich sein“, meinte sie schon vor vier Jahren. Doch das Gegenteil ist der Fall: Gerade in Zeiten knapper Kassen sind Reformideen gefragt. Ralph Bollmann
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