Maritime Konferenz: Klimakiller unter die Nordsee
Politik und Wirtschaft sprechen sich für die umstrittene CCS-Technik aus. Unterirdische Kohlendioxid-Speicher im Meeresboden seien die Lösung von Energie- und Klimaproblemen.
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WILHELMSHAVEN taz | Die Nordsee soll zum Endlager für Kohlendioxid (CO2) werden. "Seien sie versichert, meine Damen und Herren, das werden wir auf jeden Fall machen": So kündigte es der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto, am Samstag auf der 7. Nationalen Maritimen Konferenz in Wilhelmshaven an. Gerade nach dem Atomunfall in Fukushima gebe es "eine noch größere Notwendigkeit", den bei der Verbrennung von Kohle und Gas entstehenden Klimakiller "sicher zu entsorgen", verkündete er vor etwa 1.000 Vertretern aus Politik und Wirtschaft.
Damit dürfte weiter der Weg beschritten werden, unterirdische CO2-Lager in der Nordsee anzulegen. Denn wegen großer Widerstände in der Bevölkerung an Land sei es der probatere Weg, "das im Meer unterzubringen", sagte Otto, ansonsten FDP-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Nach ersten Plänen der Bundesregierung gibt es eine Reihe potenzieller Standorte in Norddeutschland sowie vor der niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Küste.
Mit dem so genannten CCS-Verfahren - Carbon Dioxide Capture and Storage - soll CO2, das in Kohle- und Gaswerken anfällt, abgeschieden, verflüssigt und unterirdisch gespeichert werden. Die Technik wird zurzeit unter anderem vom Energiekonzern Vattenfall im Braunkohlerevier Lausitz erprobt, auch in Norwegen laufen Tests mit der Versenkung von CO2 in ausgebeuteten Gas- und Öllagern in der nördlichen Nordsee. Kritikern gilt CCS als "Greenwashing" für fossile Kohlekraftwerke.
Die Nationale Maritime Konferenz (NMK) wurde im Jahr 2000 von der rot-grünen Bundesregierung ins Leben gerufen.
Ihre Aufgabe ist es, Maßnahmen zur Sicherung und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft zu entwickeln und so den maritimen Standort Deutschland zu stärken.
Federführend für die Konferenz ist das Bundeswirtschaftsministerium, wo seitdem ein "Koordinator für die maritime Wirtschaft" im Rang eines Staatssekretärs ansässig ist.
Die erste Konferenz fand im Jahr 2000 in Emden statt; seitdem tourt sie in etwa zweijährigem Rhythmus durch die fünf norddeutschen Küstenländer. Die inzwischen achte NMK findet voraussichtlich 2013 in Schleswig-Holstein statt.
Für die CCS sprach sich nachdrücklich Klaus Wallmann vom Meeresforschungsinstitut IFM-Geomar in Kiel aus. Er nannte die Methode "eines der wenigen Instrumente, um Energie- und Klimaprobleme zu lösen". Zudem sei sie "relativ kostengünstig", so Wallmann: CCS-Strom aus Kohle oder Gas sei in etwa so teuer wie Offshore-Windstrom. Voraussetzung sei allerdings, dass die Speicherstätten unter dem Meeresboden "sicher und ohne Umweltrisiken betrieben werden können". Mit Ergebnissen entsprechender Forschungsprogramme wird in etwa vier Jahren gerechnet.
Nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung könnte die CCS-Speicherung unter der Nordsee außerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone erfolgen. Eine juristisch umstrittene "Länderklausel" soll eine Mitsprache der Bundesländer nur an Land und direkt vor den Küsten zulassen. Diese Regelung wird allerdings auch fachlich angezweifelt.
Aufgrund der Ausbreitung von CO2 im Untergrund wären auch die nordfriesischen Inseln und das Festland betroffen, sorgen sich Kritiker. "Durch die ,kalte Küche' Nordsee wird der Dreck unter unsere Füße gepresst", kritisiert etwa Lars Harms, Abgeordneter des SSW im Kieler Landtag.
Die CCS-Speicherung "nicht zu den Akten legen" will auch Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD). Sie sei "eine große Chance" zur Weiterentwicklung der Meerestechnik in Norddeutschland, so Günther: "Wir wollen die internationale Marktführerschaft."
Stoff für Konflikte mit den Bremer Grünen: Die starteten am gestrigen Sonntag in die Koalitionsverhandlungen mit der SPD für eine zweite rot-grüne Regierungszeit an der Weser.
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