March for Europe in Berlin: Grenzenlose Begeisterung
Rund 4.000 feiern am Samstag 60 Jahre europäisches Miteinander. Um welches Europa der Zukunft es ihnen geht, bleibt indes vage.
Es passiert nicht oft, dass man bei einem Demonstrationszug nur Flaggen einer Farbe sieht. Am Samstagmittag in Berlin sieht man tatsächlich nur blaue. Getragen werden sie von etwa 4.000 Menschen, die am March for Europe teilnehmen. Zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge hatten mehrere pro-europäische Bündnisse zu Demonstrationen und Kundgebungen in vielen deutschen und europäischen Städten aufgerufen – für ein geeintes, freies und soziales Europa.
Die Römischen Verträge begründeten unter anderem die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, aus der Anfang der 1990er Jahre die Europäische Union hervorging. „Stundenlang hab ich früher an der Grenze gewartet. Heute fahr ich einfach rüber. Das ist Europa für mich“, erzählt ein älterer Mann am Rande des Demonstrationszugs. „Kennen die jungen Leute ja alles nicht mehr“, sagt er.
Die „jungen Leuten“ mögen keine Schlagbäume mehr kennen, den Wert offener Grenzen erkennen sie indes schon: „Grenzen sind so 20. Jahrhundert“, steht auf einem Plakat. Sie sind mit Europa aufgewachsen – ein Austauschsemester an der Uni, spontan reisen, das ist für die meisten von ihnen selbstverständlich. Und gerade deswegen wichtig: „Ich bin für Europa und gegen Mauern. Es soll so bleiben wie es ist – ein Gefühl der Zusammengehörigkeit“, erzählt eine junge Frau.
Der Demonstrationszug startete Samstagmittag am Bebelplatz, nach gut einer halben Stunde ist das Brandenburger Tor erricht. Eine symbolische Wand aus Pappkartons steht auf dem Pariser Platz: „Tear down this wall!“, ruft Jenny Paul ins Mikrofon. Sie ist Mitorganisatorin und vertritt den Studiengang Europawissenschaften der Freien Universität Berlin. Und dann laufen ein paar Dutzend Teilnehmer*innen los und werfen die Pappwand um, die angesichts der Menschenmasse fast winzig wirkt.
„Wir müssen uns für das Europa einsetzen, das wir wollen – nicht nur das, das wir haben. Europa lebt von unser aller Mitwirkung“, sagt Katja Sinko, Mitorganisatorin und Vertreterin der Kampagne The European Moment. Was vorerst im Vagen bleibt: um welches Europa es den Pro-Europäer*innen eigentlich geht. Auch das könnte Teil des Erfolgsrezeptes der momentan aufstrebenden pro-europäischen Bewegung sein: Sie schafft eine Vision, bleibt in den Details aber wenig konkret.
Viele Teilnehmer*innen trafen sich am Sonntag wieder. Pulse of Europe, eine Bürgerinitiative pro Europa, hatte zur Kundgebung am Gendarmenmarkt gerufen. Die Pulse-Leute organisieren seit Februar europaweit jeden Sonntag Demos. Die Kampagne The European Moment versucht derzeit eine monatliche Kundgebung zu etablieren.
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