: Mannequins, die Speerspitze der Frauenbewegung?
■ betr.: „Hilfe, meine Tochter wird erwachsen“, taz vom 25.8.93
Der Titel ließ aufhorchen, und willig ließ ich mich auf die Rezension des Buches von Karin Flaake/ Vera King über die „Weibliche Adoleszenz. Zur Sozialisation junger Frauen“ ein, denn auch als kinderlose Feministin macht frau sich so ihre Sorgen über die Töchtergeneration. Sie sollte es doch eigentlich besser haben oder vor allem besser machen. Pustekuchen, wenn sich die Psychos dieses Themas bemächtigen, entnehme ich der Buchbesprechung.
Die Ausnahme, die Mirjam Schaub aber feiert, läßt mir das Blut in den Adern gerinnen. Unklar bleibt, ob es ihre Interpretation oder tatsächlich die Aussage von Christina von Brauns Artikel über Anorexie = Magersucht ist, daß diese im 20. Jahrhundert „eines der wirkungsvollsten Kampfmittel der Frauenbewegung geworden“ ist. Ist das der Wertewandel vom Terror des gesunden Geistes in einem gesunden Körper hin zur Kampfideologie von einem ungesunden Geist in einem kranken Körper? Da ist doch irgend jemand nicht ganz bei Trost, zumal wenn diese Sucht nach einem Leerkörper als wirkungsvolles Mittel der Frauenbewegung dargestellt wird.
Sollte ich dazulernen müssen, daß die Mannequins, allesamt magersüchtig, die Speerspitze der Frauenbewegung bilden? Nein danke, solch ein Modell sei der Töchtergeneration nicht hinmetaphert, wenn es um die anorexe Angst vor dem weiblichen Erwachsenwerden geht. Kein Wunder, daß bei dieser Verschwindungseuphorie keine Lust auf Frauenbewegung und hin zu mehr Spaß am Sex entsteht. Die Rezensentin bemängelt das meiner Meinung nach unzulässig, wenn sie die magere „Verweigerung der Männergesellschaft“ als Frauenbewegung verdünnisiert. Halina Bendkowski, Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen