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Manipulationsskandal um FenerbahceDankbar für Paragraf 6222

Die Stilisierung des inhaftierten Fenerbahce-Präsidenten Aziz Yildirim gerät zur Groteske. Er gilt als Drahtzieher des Manipulationsskandals im türkischen Fußball.

Bis jetzt halten die Fans des Istanbuler Traditionsklubs – scheinbar bedingungslos – zu ihrem Präsidenten. Bild: dpa

BERLIN taz | Dieser Wortwechsel soll sich wirklich zugetragen haben in den Anhörungen zum Manipulationsskandal des türkischen Fußballs: "Nehmen wir an, Ihr Vereinschef würde Sie um Geld für Spielmanipulationen und Bestechungen bitten, was würden Sie sagen?", fragte der zuständige Richter Mehmet Ekinci den inhaftierten Fenerbahce-Finanzchef Tamer Yelkovan. Dessen Antwort: "Nun, wenn der Aufsichtsrat zustimmt?"

Wohl nicht nur dieser Satz hat Yelkovan den Weg aus der Untersuchungshaft gekostet. Zusammen mit 15 weiteren Angeklagten bleibt er vorerst im Strafvollzug, zu groß sei die Flucht- und Verdunkelungsgefahr. Mit besonderer Spannung erwartet wurde die Verteidigung von Fenerbahce-Präsident Aziz Yildirim, der als Drahtzieher und Hauptperson der Betrügereien gilt.

Ihm und den weiteren Inhaftierten wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung angelastet. Die Stilisierung des unscheinbaren Mannes zum Opfer einer Verschwörung nimmt immer groteskere Formen an. Pro-Yildirim-Demonstrationen vor Gefängnis und Gericht gehören schon zum festen Inventar in der täglichen Berichterstattung der türkischen Medien.

Stundenlange Monologe

Als klar wurde, dass der 59-Jährige inhaftiert bleibt, musste die Polizei den wütenden Mob auf der Straße mit Wasserwerfern und Tränengas auseinandertreiben. Auf der offiziellen Fenerbahce-Homepage findet sich in einer monströsen 187-Seiten-Datei die komplette Verteidigungsschrift Yildirims, die ihm zwar nicht aus der Untersuchungshaft half, aber immerhin zeigt, dass auch die türkische Sprache durchaus trocken und verschwurbelt sein kann.

Stundenlange Monologe soll Yildirim gehalten haben, immer wieder unterbrochen und letztlich vorzeitig beendet von Richter Ekinci. "Wenn ich also so viele Spiele manipuliert haben soll, warum hat mein Verein dann trotzdem einige unnötige Niederlagen hinnehmen müssen?", fragte Yildirim in den Raum, verstieg sich immer mehr in konfusen Details.

Der mittlerweile zurückgetretene Verbandspräsident Mehmet Ali Aydinlar habe ihm in einem persönlichen Gespräch versichert, er müsse sich keine Sorgen wegen eines möglichen Zwangsabstiegs machen. So etwas sei vom Tisch. Auch hänge er gar nicht so sehr an seinem Amt: "Ich wollte schon zwei Mal zurücktreten, seit ich in Untersuchungshaft bin, aber der Vorstand lässt mich einfach nicht."

An der Seite des Präsidenten

Bizarrer Höhepunkt: "Ich möchte mich auch bei Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und den Abgeordneten für die Änderung des Paragrafen 6222 bedanken" - dieser schließt künftig hohe Gefängnisstrafen für Manipulationen im Sport aus. Fans können auf der Vereins-Website "ihrem" Präsidenten per Onlineformular die besten Wünsche zukommen lassen.

"Unsere Körper sind zwar draußen, im Geiste aber sind wir noch immer drinnen an der Seite unseres Präsidenten", dichtete Fener-Vorstandsmitglied Sekip Mosturoglu kurz nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft. Am 26. März soll die zweite Phase des Prozesses beginnen, mit weiteren Anhörungen.

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5 Kommentare

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  • N
    nojusticenopeace

    Ihren Kommentar hier eingebe@ Dottore83:

     

    was ist mit den videoaufnahmen der geldkuriere, die angeblich mit BARGELD ein haus kaufen wollten, ohne sagen zu können, welches haus und von wem?

     

    was ist mit dem geständnis das spielers ibrahim akin unmittelbar nach seiner verhaftung, welches sich 1:1 mit den abhörprotokollen deckt und erst monate später, nach seiner freilassung widerrufen wurde?

     

    was ist mit den von ihnen so abgetanen abhörprotokollen und den dortigen gesprächen von aziz yildirim mit seinen leuten über spieler ala: "weiß Kahe den nichts von den bauarbeiten? wieso spielt der so als hätte man nicht mit ihm über bauarbeiten gesprochen?" wusste nicht das der ehemalige gladbacher stürmer Kahe auch bauarbeiter ist.

     

    usw usw usw. sie sind ein typisches bsp derer, die die stilisierung des täters aziz yildirim zum opfer vorantreiben.

  • L
    Leonn

    Dem Kommentar von Sikebahce, dessen türkischer Nickname alleine schon ein Beweis dafür ist, dass er ein Fenerbahce-HAsser ist , möchte ich als lächerlich zurückweisen. Es sind seitens Staatsanwalt nur Behauotungen aufgestellt wurden. Die inhaftierten müssen diese nun wiederlegen.

     

    Der Präsident von Fenerbahce hat bereits alles wiederlegt. Die Anfangs behauptetn 19 Manipulationsspiele sind erst auf 12, 9, 5, 3 gesunken. Die angeblich zahlreichen Telefonaufnahmen und Videobeweise , die der (korrupte politisch beeinflusste) Staatsanwalt, in die Beschuldigungen aufgenommen hat , konnten bislang nicht vorgelegt werden. Warum fragt man sich? Weil eben mittlerweile für ganz Türkei feststeht, dass es gar keine gibt.

    Irgendwelche Fotos mit Einkaufstüten vor oder nach Fussballspielen, die Spieler oder Vereinsmitglieder in der Hand haben sollen Beutel mit Bestechungsgeld sein. Und diese werden einfach sooo rumgetragen öffentlich auf der Strasse? Lächerlich und einfach nur Volksverdummung. Der Fussball in der Türkei ist so fanatisch , dass die fanatischen Fans ,vor allem Dingen, Erzrivalen natütlich laut nach ABstieg für Fener schreien. Dabei merkt keiner , dass die politischen PArteien versuchen denn Fussball so zu führen, dass damit Geld gemacht werden kann. Es gibt auch zahlreiche Beweise und Aufzeichnungen politischer Parteien, die mit aller MAcht versucht haben Trabzonspor zur Meistershcaft zu führen!! Diese Sachen werden allerdings verschleiert, weil viele Politiker ihre Macht und Stellung verlieren könnten. Mit Fussball hat das nichts zu tun. Es geht hier ganz klar um de Politik und wer nutzen aus der zweitgrößten wirtschaftlichen Geldquelle der Türkei zieht. Jeder versuch die Unschuld zu beweisen wird gnadenlos unterdrückt und ganz Türkei sieht was für eine Bananenrepublik man doch hat!! Türkei so in die EU ?? NEIN DANKE !!!!

  • S
    Sikebahce

    Gut recherchierter Artikel. Unkenrufe sind diesem Fall durchaus normal, da die meisten Fenvlis es immer noch vorziehen, sich den Tatsachen zu verschließen.

    Fenerbahce unter Aziz Yildirim hatte auch vor diesem Manipulationsskandal einen denkbar schlechten Ruf in der türkischen Fußballgemeinde. Daher hat das keinen verwundert, dass dieser Mann, dessen Hybris keine Grenze kennt, mit solchen Verbrechen in Verbindung gebracht wird. Der neu gewählte Vorstand des türkischen Fußballbundes unter Yildirim Demirören, dessen Verein ebenso in diesen Skandal verwickelt ist, wird jedoch alles versuchen, die beschuldigten Vereine zu schützen. Daher muss die UEFA/FIFA hart durchgreifen, denn aus eigener Kraft wird der türkische Fußball diese Gesocks nicht los.

  • B
    berkant

    Die Artikel eines solch intellektuellen papieres sollten wirklich ein Deut mehr Recherche aufweisen.

     

    Dieser Artikel ist schlichtweg lächerlich und ohne jegliches journalitisches Handwerk geschrieben worden.

  • D
    Dottore83

    Solch einen oberflächlichen Artikel hatte ich in den deutschen Medien nicht erwartet. Es wird mit keinem Wort erwähnt, unter welchen fadenscheinigen - nach deutschem Rechtsverständnis illegalen - Methoden die Abhörung begründet wurde. Es wird mit keinem Wort erwähnt, dass es außer den Abhörprotkollen, bisher keinerlei Beweise gibt. Es wird mit keinem Wort erwähnt, dass die Unschuldsvermutung für die Beschuldigten mit Füßen getreten wird. Es wird mit keinem Wort erwähnt, dass die in Beschuldigten seit 8 Monaten in den Medien gelyncht werden. Es wird mit keinem Wort erwähnt, dass nicht die Staatsanwaltschaft ihre Anklage beweisen muss, sondern die Angeklagten müssen ihre Unschuld beweisen. Es wird mit keinem Wort erwähnt, dass die Beschuldigten nach 8 Monaten U-Haft das erste mal zu Wort kommen und der Richter das Grundrecht auf eine unabhängige Verurteilung und das Recht auf Verteidigung einschränkt, indem die Beschuldigten nur wenige Minuten für Ihre Verteidgung zugesprochen bekommen (Das reine Vorlesen der Anklageschrift hat fast 5 Tage gedauert - die zugesprochene Zeit für die Verteidiung von 23 Beschuldigten 4 Tage). Es wird mit keinem Wort erwähnt, dass der Paragraf 6222 dazu verwendet wurde um Haftstrafen von mehreren Jahrzehnten, in einem Fall sogar über 100 Jahre, für die Beschuldigten zu beantragen.

     

    Schade, es hätte mit etwas intensiverer Recherche ein objektiverer Artikel daraus entstehen können. Denn dieser Prozess ist ein Paradebeispiel für die embedded Medien und die embedded Justiz in der Türkei.