: Manfred Stolpe kommt zur Eiswette
■ Seit 1829 schauen ehrwürdige Männer am 6. Januar nach dem Eis der Weser
Am Anfang stand eine Schnapsidee: Im November des Jahres 1829 lagen sich 18 bremische Kaufleute während einer feucht- fröhlichen Feier kräftig in den Haaren. Ob denn die Weser am nächsten Drei-Königs-Tag wohl zugefroren sein würde oder nicht. lautete die Frage, die die Gemüter erhitzte. Ein schwerzüngiges Wort gab bald das andere und schließlich hieß es: „Wetten daß...“
Und damit war die „Bremer Eiswette“ geboren, ein anachronistischer Brauch, der bis heute liebevoll gepflegt wird. Denn was damals für Handel und Schiffahrt schicksalhafte Bedeutung hatte, wurde mit der „Korrektion“, der Kanalisierung des Stromes zur Schiffahrtsstraße, zur Ausnahme und kommt heute überhaupt nicht mehr vor: Das salzhaltige Wasser der Weser friert einfach nicht zu.
Trotzdem versammelt sich — the same Procedere as every year — am 6. Januar um Punkt zwölf Uhr eine feine Gesellschaft würdiger Herren mit Zylinderhüten am Ufer, um persönlich nachprüfen, ob der Fluß nun wirklich „geiht“ oder „steiht“. Und um ganz sicherzugehen, ob nicht vielleicht doch eine dicke Eisschicht auf dem Wasser liegt, schleudern die Wettgenossen unter der Aufsicht eines Notars und dem Beifall der schaulustigen Zaungäste Steine in die Weser.
Auf die Spitze wird das alljärhliche Schauspiel freilich getrieben, wenn ein 99 Pfund schwerer Schneider mit einem heißen Bügeleisen versuchen muß, trockenen Fußes von einem Ufer zum anderen zu kommen, was ihm heutzutage nur noch an Bord eines Motorbootes gelingt... Aber der Schneider ist kein Schneider mehr und bringt auch keine 99 Pfund auf die Waage.
Trotzdem halten die Honoratioren an der „Eiswette von 1829“ eisern fest, vor allem wohl, um sich mit 700 Männern zwei Wochen später zu einem festlichen Mahl im Rathaus zu Kohl und Pinkel zu versammeln.
Der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe wird diesmal die große Rede halten. geab
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