: „Manchmal dachte ich, das überlebe ich nicht“
■ Zwei nicht enden wollende Tage in den Händen der spanischen Guardia Civil
Jaime Iribarren denkt mit Schrecken an die Tage im März 1994 zurück. Gerade 22 Jahre alt war er, als er das erlebte, was er heute einen Alptraum nennt. Zwei nicht enden wollende Tage hatte er in den Händen der Guardia Civil verbracht. Als er wieder ans Tageslicht trat und die Tür der Audiencia Nacional, des Obersten Gerichtshofes Spaniens, hinter ihm ins Schloß fiel, hatte er nichts mehr mit dem Jaime zu tun, der zwei Tage zuvor auf Anordnung des Richters Carlos Bueren verhaftet worden war. Er humpelte auf die Straße, zitternd, unfähig zu sprechen. Von Wunden und Blutergüssen gezeichnet, brach er tränenüberströmt zusammen.
Noch heute irrt sein Blick unruhig hin und her, wenn er erzählt: „Am Anfang beschimpften mich die Beamten nur. Aber ich merkte gleich, worauf sie aus waren.“ Erstickungsanfälle, provoziert durch eine über den Kopf gestülpte Plastiktüte oder durch Untertauchen des Gesichts in einen mit Wasser und Zement gefüllten Kübel. „Nur nicht aufgeben, durchhalten, dachte ich immer wieder.“ Kniebeugen völlig nackt, bis er erschöpft zusammenbrach, Schläge auf den Kopf. „Ich war so erschöpft, daß ich die Schmerzen nicht mehr wahrnahm.“ Und „immer wieder der Gedanke, die Würde nicht zu verlieren, nichts zu sagen. Schlimmer: nichts zu wissen von dem, was sie mir vorwarfen.“
Jaime Iribarren, Mitglied verschiedener Umweltschutzgruppen, wurden Sabotageakte gegen den Bau der Autobahn San Sebastian-Pamplona zur Last gelegt. Er habe dabei im Auftrag der baskischen Separatistengruppe ETA gehandelt. So wurde auf ihn das spanische Antiterrorgesetz angewandt. Polizeigewahrsam, ohne Anwalt, ohne Haftüberprüfung, völlig isoliert, hieß das damals. Die meisten der aus politischen Gründen verhafteten Basken geben an, mißhandelt worden zu sein. Die Regierung leugnet dies; ETA würde zu Falschaussagen anhalten, um so die spanische Polizei und Justiz in Verruf zu bringen, behauptet Madrid ungeachtet der Berichte verschiedener Menschenrechtsorganisationen und des Europäischen Antifolterausschusses, die Folter und Mißhandlungen bestätigen. „Manchmal dachte ich, das überlebe ich nicht.“
Kaum hatte sich Jaime erholt, wurde er in U-Haft überführt. Vom Vorwurf der ETA-Mitgliedschaft wurde er später freigesprochen. Nicht so vom Anklagepunkt, Baumaschinen in Brand gesteckt zu haben. „Ein polizeiliches Konstrukt, um sich wegen der Folteranzeige an mir zu rächen“, beteuert Jaime seine Unschuld. Seine Peiniger hatten mehr Glück. Das Verfahren gegen sie wurde eingestellt. Elvira Lalana, Madrid
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