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Manager schotten sich zu sehr nach unten ab

■ Metall-Betriebsräte: Unternehmenskultur liegt im argen

(Berlin/taz) – Hohe Löhne und verkürzte Arbeitszeiten sind mitschuld an der Wirtschaftskrise – jammern die Führungskräfte. Betriebsräte in der Werkzeugmaschinenindustrie drehen den Spieß jetzt um: In einem internen Papier der IG Metall werden eine zunehmende Abschottung der Manager nach unten als ein starkes Hindernis beim Produktivitätsfortschritt beklagt. Die Facharbeiter wollen jetzt selbst bei der Produktentwicklung mitreden.

Der Erfahrungsaustausch der Metall-Betriebsräte zeige einen „erschreckenden Gleichklang der Aussagen“, heißt es in dem Papier. Der Tenor: viele Manager sind unsicher und unfähig zur Kooperation mit der Facharbeiterebene. Die Folgen seien Stillstand und hausgemachte Kosten, die das Unternehmen belasteten.

Zunehmend seien in den vergangenen Jahrzehnten Akademiker als „Seiteneinsteiger“ frisch von der Universität auf Führungspositionen gehievt worden, bemängeln die Betriebsräte. Die Seiteneinsteiger nutzten die Potentiale der praktisch ausgebildeten Kollegen nicht. Facharbeiter würden „abgehängt“. Mangelnde Koordination führe zu „Beschäftigungstherapien für Praktiker“ wie „zeitraubende Kontrollen und ausgefeilte Qualitätsprüfungen“.

Außerdem würden unsichere Führungskräfte häufig Entscheidungen auf Dritte verlagern – beispielsweise auf Unternehmensberater oder Aufsichtsräte. Unternehmensberater aber brächten dann wiederum von außen praxisferne Ideen ein, klagen die Betriebsräte. Mitunter würden Entscheidungen auch an Aufsichtsräte delegiert, die damit inhaltlich überfordert seien.

Die Werkzeugmaschinenbauer beklagen auch die mangelnde Kooperation von Produktentwicklung und Fertigung. Sie hat teure Folgen: unausgereifte Vorschläge und überlange Entwicklungszeiten. Managementfehler, und nicht die hohen Löhne, seien mitverantwortlich für die steigenden Kosten, betonen die Gewerkschafter.

Die Klage der Betriebsräte soll neue Anstöße geben. Im deutschen Werkzeugmaschinenbau entstehen derzeit neue Arbeitsgruppen, in denen Unternehmer und Gewerkschafter gemeinsam über künftige Strategien beraten. In Baden-Württemberg, der Hochburg dieses Industriezweiges, diskutieren solche Arbeitsgruppen neuerdings „über Arbeitszeit und Qualifizierung, über die Gestaltung der Arbeit und zukunftsweisende Produkte“, erklärt Jörg Tauss, Sprecher der IG Metall in Stuttgart.

Beispiel für ein positives Resultat: die Verwendung von umweltbelastenden Kühlschmierstoffen für die Maschinen wurde mit Hilfe eines neuen Verfahrens erheblich reduziert – auf Anregung der Gewerkschafter.

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