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Man trägt „Baggy“ Von Andrea Böhm

Wie so häufig, fiel mir das Problem erst auf, als es mich persönlich betraf. Das geschah genau vor ein paar Tagen in einem Jeans-Shop in Washingtons Schickimicki-Viertel Georgetown. Ich mußte feststellen, daß mein Privileg, zwischen verschiedenen Marken-, Farben- und Stilsorten auszuwählen, erheblich eingeschränkt war. Durch den Baggy-Trend. Soll heißen: König ist nur noch jener Jeans-Kunde, der Hosen in der Dimension eines Fesselballons bevorzugt. Baggy- Jeans. In den Schulen, auf den Basketballplätzen oder in Discos – amerikanische Kids beiderlei Geschlechts tragen Levis, GAP oder Diesel-Modelle, in die außer ihnen auch noch die elterliche Couchgarnitur passen würde.

Zugegeben, der Trend ist nicht neu und hat sich längst über den Atlantik nach Europa ausgebreitet. Aber in den USA hat schon die Gegenbewegung eingesetzt – initiiert nicht von ModeschöpferInnen, sondern von den SchuldirektorInnen in den Großstädten. Denn Baggy-Jeans dienen nicht als Beinkleider, sondern auch ganz hervorragend als Versteck für ein Tütchen Crack oder Koks, eine 9-mm- Tec oder ein Street Sweeper. Bei den letztgenannten Artikeln handelt es sich um halbautomatische Schußwaffen, die zunehmend eingesetzt werden, um sich Kleider zu besorgen, die andere anhaben. Teure Baseballjacken, drahtseilähnliche Goldketten etc., etc.

Weil er es leid war, in immer kürzeren Abständen eine/n seiner SchülerInnen zu Grabe zu tragen, hat Frank Mickens, Direktor der „Boys and Girls High-School“ in Brooklyn, die eben genannten Kleidungs- und Schmuckstücke verboten. Ebenfalls untersagt sind Zahnaufsätze, die bei jedem Grinsen in goldenen Buchstaben die Worte „Hate“ oder „Killer“ aufblitzen lassen. Ganz streng ist man in Baltimore: Wer hier eine öffentliche High-School besucht, darf keine Leder- oder Pelzjacken, keine Muskel-Shirts oder durchsichtigen Blusen, keine knöchelhohen Basketballschuhe tragen, in denen Drogen versteckt werden können.

Nun hat es Kleider- und Haarschnittvorschriften immer schon gegeben: 1963 verbot eine High- School in New Jersey das Tragen von Sandalen – aus „Sicherheitsgründen“. 1966, ebenfalls in New Jersey, flog ein Schüler von der High-School in New Milford, weil er sich weigerte, seinen Beatles- Haarschnitt trimmen zu lassen. Drei Jahre später jedoch entschied der Oberste Gerichtshof, daß SchülerInnen vor der Verfassung als Personen mit Grundrechten anzusehen sind, die auch von SchuldirektorInnen zu respektieren sind. Was wiederum zwei Jahre später das Kollegium einer High-School in Kentucky nicht daran hinderte, die Afromode schwarzer SchülerInnen zu verbieten. Begründung: Die KlassenkameradInnen in der Bank dahinter könnten die Tafel nicht mehr sehen. Solche Probleme wecken im Zeitalter des Metalldetektors am Schuleingang bei LehrerInnen nostalgische Gefühle. Manche allerdings glauben, sie könnten die Probleme lösen, indem sie die Zeit zurückdrehen. Frank Mickens hat seinen Schützlingen eine Schuluniform verordnet: Jeden Montag und Dienstag müssen Jungen mit Schlips und Jackett, Mädchen in Kleid oder Kostüm antreten. „Dress for success“ heißt das Programm. Wenn's so einfach wäre, hätten die Kids das schon längst selbst gemerkt.

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