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Archiv-Artikel

Man spielt neudeutsch

Deutschland rumpelte sich 2002 ins Finale, jetzt ist das Teutonische entrümpelt: Ist das Klinsmann-Team damit stilbildend?

von MARKUS VÖLKER

„Wir rumpeln, wir rumpeln, vielleicht rumpeln wir ja ins Finale“, sagte Christian Ziege vorm WM-Halbfinale 2002. Lange ist’s her. Das Team rumpelte sich ja damals sogar ins Finale, wo es von den Brasilianern gestoppt wurde. Das Verb „rumpeln“ ist im Jahre 2006 aus dem Wortschatz der Nationalmannschaft gestrichen worden. Ein „Ende des rumpelfüßigen Grauens“ hat die Süddeutsche Zeitung ausgemacht.

Am Anfang der Geschichte vom Rumpeln, was so viel wie lärmen, poltern, geräuschvoll fallen oder stolpern bedeutet, steht Franz Beckenbauer, hinlänglich bekannt als geistreicher Neologist. Nach dem Aus bei der Europameisterschaft im Jahre 2000 machte er seinem Ärger in der Bild Luft und sprach in der Hamburger Ausgabe am 27. Juni 2000 vom „Rumpelfußball“. Seitdem durfte es in kritischen Spielberichten zum deutschen Team nicht mehr fehlen. Am Ende der Geschichte vom Rumpeln steht Jürgen Klinsmann. Das Spiel ist jetzt schwungvoll-offensiv ausgerichtet. Das Team hat viermal bei dieser WM gewonnen und die Weltpresse in der deutschen Elf einen Favoriten erkannt. Sie attestiert ihr Trendbewusstsein im besten Sinne: Endlich sei da ein teutonisches Team, das nicht schematischen Systemfußball ohne Tempo spielt, sondern neudeutsch. Und die Abwehr, das fragile Element im Spiel der Klinsmannschaft, steht auch. In den vergangenen fünf Partien kassierte sie im Schnitt nur 0,4 Gegentore. Der negative Spitzenwert wurde vor einem Jahr mit durchschnittlich 2,2 Gegentoren in den fünf Spielen des Confed Cups erreicht. Die Statistik ist eindeutig auf der Seite der Deutschen. Die DFB-Elf hat auch die besten Zweikampfwerte aller Teams. Ist sie damit stilbildend?

Sagen wir mal so: Die Fußballwelt ist überrascht vom Spiel der Gastgeber. In den ersten Kommentaren stellten die Experten noch ihre Vorurteile zur Schau. Aber mittlerweile haben sich Ballack & Co. Respekt erspielt mit dem Ansatz, „Pässe in die Tiefe“ zu schicken und über 90 Minuten „positiv aggressiv draufzugehen“ – dank ihrer guten Physis. Sogar die Bundesliga gewinnt durch den Auftritt der Auswahl. Alle Welt will plötzlich Hertha BSC und Mainz 05 sehen, weil vermutet wird, in der Liga werde ähnlich attraktiv gespielt.

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat ihr Produkt gut absetzen können. In den Niederlanden und Frankreich wurden neue Partner gefunden, mit den Griechen gibt es einen neuen Vertrag, auch mit Serbien, Montenegro und Slowenien. Der Dubai Sports Channel hat ab sofort die Bundesliga im Programm, und der versorgt via Satellit 23 Länder in Afrika und im arabischen Raum. Auch das chinesische Staatsfernsehen CCTV will ab der kommenden Saison sechs Spiele der ersten und zwei Partien der zweiten Bundesliga live übertragen. Die Käufer könnten freilich nach Konsum der Ligakicks Regressansprüche anmelden. In der Bundesliga wird nämlich noch kräftig gerumpelt.