piwik no script img

Man positioniert sich

betr.: 68er-Dossier, taz vom 3./4. 2. 01 u. a.

[...] Mir scheint tatsächlich, als sei die momentane Situation das letzte Aufflackern eines grundsätzlichen Gegensatzes in diesem Staate, als gerieten hier endlich wieder Visionen aneinander. Nur: Was bedeutet dieses Aufflackern? Eine Chance für die kritischen Kräfte in diesem Land, die sich in den letzten Jahren wieder verstärkt formieren, eine Chance für die Menschen, die Angst haben – nicht vor staatlichen Repressionen, sondern vor dem Diktat des Arbeitsmarktes – eine Chance, sich zu vereinigen, eine neue Utopie zu finden, eine Chance für eine andere, gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft? Alte ideologische Gräben brechen wieder auf und könnten fruchtbar werden. Man positioniert sich. Vielleicht ist es mehr als ein Spiel.

Diese Hoffnung schrumpft jedoch wieder, wenn ich sehe, dass Fischer, Trittin & Co. sich weiter von ihren Idealen entfernt haben als die Repräsentanten der Gesellschaft, die sie damals – mit welchen Mitteln auch immer – mit bekämpften. Dass die populistische Logik der Macht stärker ist als der jahrtausendealte Wunsch nach einem guten Leben oder dem „richtigen Leben im falschen“. Da kann noch so viel von ihren „Ecken und Kanten“ die Rede sein. Sie schrumpft weiter, wenn ich sehe, dass meine Kommilitoninnen und Kommilitonen sich größtenteils nicht einmal mehr mit Status-quo-orientierten Minimalforderungen wie der nach dem Stopp der Stellenkürzungen an sächsischen Hochschulen identifizieren können, dass sie aus Angst um ihre Regelstudienzeit Hörsaalblockaden durchbrechen. Von einem offenen Blick für die Zusammenhänge, die ihnen diese Zwänge auferlegen, mag ich gar nicht träumen. Sie wird winzig, wenn ich sehe, was auf der tagespolitischen Agenda steht: kranke Kühe und hilflose Politiker und eine Schlammschlacht nach der anderen. ELENA FUTTER, Leipzig

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen