■ Vorschlag
: Man fragt sich nur eines: Können diese Hüften lügen? Jon Spencer Blues Explosion heute im Loft

Warum gehen Menschen noch mal in Rockkonzerte? Um schlauer zu werden? Um sich hin und her reißen zu lassen zwischen „dem Postmodernen“ und „dem Authentischen“? Um „die Reibungshitze sozialer Kämpfe in Feedback und hysterisches Gekreische zu kondensieren“ (Spex 1/96)? Oder einfach nur, um das Gehör zu verlieren? Den Kopf?

Fragen über Fragen, auf die die Antwort anderswo steht. Hier geht es um Jon Spencer, den Mann, dem der Preis für den bestgekleideten Rockstar soeben bis ins Jahr 2007 dauerverliehen worden ist. Jon Spencer sieht slick aus. Verwegen, dirty, und niemals ungewaschen.

All diese Qualitäten wurden bisher geflissentlich übersehen. Statt dessen Nachgedenke allerorten. Powerrock? Antimaterie? Dekonstruktion des Dramaturgischen? Kontraessentialistischer Blues-Essentialismus? Rückkehr der kontrollierten Gitarreneruption? Zukunft des Rock 'n' Roll im Bohemien-Edit? Das Komische ist bloß: Sobald eine Frau an seiner Seite steht (einst bei Pussy Galore und derzeit bei Boss Hog seine Gattin Christina Martinez), fällt den Jungs plötzlich wieder ein, daß Musik was mit Körper zu tun hat. Christina sei so sexy. Die Wahrheit ist: Wer jemals auf einem Konzert der beiden war und kein Problem mit den Augen hat, wird zugeben müssen, daß Jon Spencer all das in den Schatten stellt, was man ihm so unterstellt.

Ein Typ, der sich selbst als manischen James-Brown-Fan outet, der auf der Bühne mit seiner Combo abslamt, daß es nur so glibbert. Fast rutscht man im Zuschauerraum aus, und dabei fragt man sich nur eines: Können diese Hüften lügen? Wohl kaum! Soul und Rock 'n' Roll, das hatte schon immer was mit Schweiß zu tun, aber im Falle der Jon Spencer Blues Explosion ausnahmsweise mal nicht mit Schweiß, der nach Deo schreit.

Ein Blues-Explosion-Konzert ist somit eine lohnende Veranstaltung in Zeiten, in denen auch in den Clubs das Rumgestehe und Abgehänge auf dem Vormarsch ist und die Revolutionierung des Nachtlebens ihre Kids entläßt, ohne überhaupt stattgefunden zu haben.

Wenn Sie etwas über Jon Spencers neue Platte – „Now I Got Trouble“ –, ihre Bedeutung im Kontext der Zeit und die Zukunft der Gitarrenmusik als solcher wissen wollen: Kaufen Sie sich ein Musikmagazin. Der Künstler selbst antwortet jedenfalls in The Face auf die Frage, ob er jetzt ein Pin-up der Linken sei: „Keine Ahnung. Aber ich glaube, die Platte, die wir gemacht haben, ist eine sexy Platte. Rock 'n' Roll ist Ficken. Das ist die Bedeutung des Wortes. Und das ist ein Fakt.“ That's Entertainment. Heike Blümner

The Jon Spencer Blues Explosion, heute abend um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg