Mallorca, Castelgandolfo usw.: Weltethiker im Ruhestand
■ Adieu „Leitgedanken“, goodbye „Religionsdialog“: Der Tübinger Theologe Hans Küng hielt seine Abschiedsvorlesung
Nichts ist mehr wie es war. Denn er, der Unersetzliche, ist abgetreten von der akademischen Bühne, beifallumrauscht: Hans Küng, weltreisender Ökumeniker, dröhnender Unfehlbarkeitskritiker, Walter-Jens-Busenfreund, professioneller Talkshowgast, aktiver Zölibatsgegner, Verneiner der Jungfrauenzeugung, Universitätsprofessor ohne Habilitation und bisweilen auch Geisterfahrer im Straßenverkehr. Für manch brave halblinke Seele war er ein Fixstern am trüben Himmel der Theologie, eine gebieterisch scheppernde Schweizer Freiheits- Kuhglocke inmitten all der polnischen Säuerlichkeit. „Christ sein“, ja, ja.
Allein: In einem geistigen Entwicklungsland wie dem Katholizismus kann man mangels Personal leicht Starphilosoph werden. Ein probates Mittel ist es dabei, sich möglichst geräuschvoll als Dissident aufzuspielen – wohlwissend, daß man da in einer Firma auftritt, deren Geschäftsgrundlage die Philosophie des Duckens und der Unterwerfung ist. Innerkirchliche Erneuerung! Glasnost für die Mafia! Perestroika für den Ku-Klux-Klan! So etwa gebärdet sich Hans Küng seit 35 Jahren – und läßt sich von der heiligen Inquisition behaglich den Bauch kraulen.
Das alles ist ziemlich nutzlos, aber der Berühmtheit hat es nicht geschadet. Auch in seiner Abschiedsvorlesung saßen ganze Massen dieser verführten jungen Menschen, die gern das Knie beugen und trotzdem frei sein wollen und die stets glänzenden Auges an Küngs Lippen hängen. Im weitesten Sinne ging es bei seiner Abschiedsvorstellung um den „Dialog der Weltreligionen“, jene große Sache, von der Küng den ewigen Frieden erwartet. Da forscht er dann nach der „Substanz der Religionen“ und findet stets das, was ihm paßt, zum Beispiel die „Ehrfurcht vor dem Leben“.
Da werden allerlei banale „Thesen“ und „Leitgedanken“ aufgestellt, für die er „willkommene Bestätigungen“ findet. Der konfliktschaffende Absolutheitsanspruch religiöser Gebäude wird diskret ausgeklammert, statt dessen gibt man sich humorig (im Islam, so der Referent, gebe es so viele „friedliebende Menschen wie bei uns“, man dürfe sie „nur nicht reizen“).
Die Alternative zum „Zusammenprall der Zivilisationen“ jedenfalls ist der „Weltfriede durch Religionsdialog und Weltethos“, welchselbiger gerade von Küng erarbeitet wird. Erster „Leitgedanke“: „Die Menschheit ist bedroht. Es wird kein Überleben der Demokratie geben ohne Koalition von Gläubigen und Ungläubigen.“
Wir wollen solche Aufgeblasenheiten hier nicht bewerten. Wir wollen nur still staunen über den nie abbrechenden Redeschwall eines Menschen, der offensichtlich in einer Privatwelt lebt und Religionskriege qua Symposium regulieren will. Ohne vom Gottesglauben als solchem zu lassen, wohlgemerkt.
Küng hat nun angedroht, gerade wegen der Emeritierung sein missionarisches Wirken mit verdoppelter Kraft fortzusetzen. O Küng, wir haben einen letzten
Wunsch: Wenn es schon nicht das Paradies auf Erden gibt, so gibt es ersatzweise wunderbare Rentnerparadiese, auf Mallorca und in Castelgandolfo, in der Schweiz und sogar in Tübinger Höhenlagen (wo sowieso die halbe Stadt im Vorruhestand ist). Wollen Sie nicht ein bißchen ausspannen? Das Weltethos im Rotwein finden, statt auf Konferenzen in Davos die Welt zu retten? Geben Sie sich einen Ruck! Entsagen Sie dem eitlen Predigertourismus! Töpfern Sie! Tanzen Sie! Singen Sie im Kirchenchor! Oder noch besser: Gehen Sie in sich! Meditieren Sie! Kasteien Sie sich selbst! Die Kirche will keine Aufklärer. Sie will Knieende. Sonst kann sie ihren Laden nämlich dichtmachen. Nicht Wojtyla sagt Ihnen dies, sondern ein normaler Ungläubiger: Christian Gampert
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