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Malerin Henriette Grahnert in LeipzigBaumarkt-Illusionismus

Brandflecken und Malfehler: Das Museum der bildenden Künste Leipzig widmet der jungen Malerin Henriette Grahnert die Schau "Es ist einfach nicht einfach".

Detail aus "Teenage Radical" von Henriette Grahnert. Bild: museum der bildenden künste leipzig

Schlaff, schäbig und mokant wie eine Teenagerhose hängt eine bekleckerte Leinwand aus einem Bilderrahmen heraus. Von diesem malerischen Maurerdekolleté bis in die Gesichtshöhe des Betrachters: nichts als farbige Sprenkel, abgerissene Schrunde, verlegen weggerubbelte Unsicherheit irgendwo zwischen Pickeln, Zoff mit den Eltern und letzten Handgriffen vorm Ausgehen: Bin ich schön genug?

"Backstage Styling" heißt das Bild der Leipziger Malerin Henriette Grahnert, die ein derart feines Gespür für die Probleme, nein, Nöte von Teenagern hat. Die 30 Jahre alte Künstlerin ist dem verschwitzten Odeur der Pubertät längst entwachsen, doch auf die Wiedergabe des Blues, des Rauschs, des süßen Katers jener Jahre versteht sie sich noch immer.

In abstrakten Bildern, in musterartigen, von Knubbeln und Wülsten strukturierten Farblandschaften fusioniert Grahnert gemalte Peinlichkeiten des Alltags und lakonische Bildtitel. "Dumm, hässlich, peinlich" hieß das, ganz plakativ, in einem Bild von 2005, "ach nee doch nicht" oder "Make Up Crying Girl" in anderen. Stets schwingen Ernüchterung mit und ironische Selbstdistanz angesichts des Missgeschicks, das Leben heißt.

Für diese Bildwelten hat Grahnert nun den mit 30.000 Euro dotierten Kunstpreis der Sachsen Bank und eine Einzelausstellung im Leipziger Museum der bildenden Künste bekommen. "Es ist einfach nicht einfach" lautet der Titel der Schau, bei dem die Juroren und die Geldgeber der im vorletzten Jahr beinahe pleitegegangenen Bank in Verzückung geraten sind.

Und der Titel allein schon erzählt einiges über Grahnerts Malerei, von der Melancholie und den überspielten Verlegenheiten in den Bildern, ihrer Lust an der Lakonik und ihrer Suche nach einer malerischen Sprache. Die lässt sich am ehesten als Mischung beschreiben, aus einer Art Post-Martin-Kippenberger, was Humor und Tonfall der Bilder angeht, und einem nachgebastelten Jackson-Pollock-Duktus.

Mit Klebeband, Spachtel und Sprühdose sind zahlreiche ihrer Bilder entstanden. Es reize sie, "eigentlich unschönen, unerwünschten oder nebensächlichen Dingen eine gewisse Eleganz zu verleihen". Die Klebekraft von Malerkrepp auf einer Leinwand werde zur Metapher für die Haltbarkeit einer Beziehung, hat sie mal gesagt. Aus der Hüfte geschossen sind ihre Bilder aber nur scheinbar. Für ihr Gemälde "Teenage Radical" zündelte sie zwar mit dem Feuerzeug an der Leinwand, doch die Brandspuren und Malfehler produziert sie mit großer Genauigkeit. All die Schlieren und Wülste kommen "kontrolliert gestisch" auf die Leinwand.

Die riesigen Farbklumpen auf einigen der Bilder sehen aus, als hätte Grahnert sie draufgeschleudert. Hat sie aber nicht. Die Malerin hat sie minutiös angeklebt. Denn statt zu berserkern, bastelt Grahnert lieber - wenn "gebastelt" nicht so diffamierend nach Heimarbeit klingen würde.

Dem Gefühl, inmitten abstrakter Bilder und konkreter Bildtitel allzu schnell begriffen zu haben, worum es Grahnert geht, setzt sie eine Art Baumarkt-Illusionismus entgegen, mit dem sie den Betrachter in Unsicherheiten und auf längere Entschlüsselungsreisen schickt. Klebestreifenreste hier, die Spur einer ausgedrückten Zigarette da: Ist das wirklich Klebeband aus dem Laden, sind die Brandspuren wirklich echt?

Für die Ausstellung in drei Kabinetträumen des Leipziger Museums ließ Grahnert graues Linoleum über das teure Stäbchenparkett verlegen. Zu klassisch, befand sie. Im Saal nebenan residiert der Hausheilige des Leipziger Museums, Max Klinger, mit seinen grellen, historistischen Geschützen. Unfreiwillig passend dazu Grahnerts Bild "Diva", eine von einem buntem Mosaik eingefasste schwarze Fläche, die aussieht wie der Schminktisch in einer Künstlergarderobe - und wieder Brandspuren auf der Leinwand.

Für Grahnert ein Kommentar auf die Malerei. Sie sei die alte, vielleicht etwas verblichene Diva der Kunst, "ein Star, der noch leuchtet, aber auch schon ganz schön in die Jahre gekommen ist", sagt sie, die in Leipzig gemeinsam mit Malerstars wie David Schnell oder Matthias Weischer studiert hat.

Und dann ist da noch dieses wahnsinnig wehmütige rote "Gluck" an der Wand, ein ausgeschnittener, dreidimensionaler Schriftzug, dem die Ü-Pünktchen auf den Fußboden gefallen sind. Müsste ja nur mal jemand die beiden Dinger aufheben und ankleben, dann wäre wieder alles in Ordnung. Macht aber keiner, denn lieber staunt man über so viel Mut zur Illustration, die doch nie ins nur rein Illustrative abgleitet.

Am Ende des Ausstellungsrundgangs ist eine weiße zerfetzte Leinwand zu sehen, aus der bunte Glühlampen und Kabel herauslugen. Das Sommerfest ist vorbei, ein betrunkener Gast muss die Lichterkette heruntergefetzt haben, vielleicht lag's daran, dass das Bier alle war. Was bleibt, sind Katerstimmung und verlebte Melancholie, the sweet hangover, das Gefühl nach der großen Sause.

Dabei geht die Party für Henriette Grahnert jetzt erst richtig los. Denn für dieses Jahr hat sie das renommierteste deutsche Künstlerstipendium bekommen. Sie zieht von Leipzig nach Rom, in die Villa Massimo.

"Es ist einfach nicht einfach": bis 22. Februar, Museum der bildenden Künste Leipzig

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