Magazin "Liebling": "Tempo"-Gründer gründet weiter
Nach dem legendären Lifestylemagazin "Tempo" versucht sich Markus Peichl an einem neuen Hochglanzformat. Ein bisschen originell, viel Belangloses. Ab März erscheint es monatlich.
Der Mann von fünfzig Jahren ist krisenanfällig - noch mehr als sonst, muss man korrekterweise hinzufügen. Hat er in frühen Jahren Großes vollbracht, verschärft das die Lage zusätzlich - ungerechterweise, zugegeben. Markus Peichl feiert im kommenden Jahr seinen 50. Geburtstag. Als Zeitschriftenerfinder ist er seit seinen Mittzwanzigern eine kreative Legende und sein Name auf immer mit Tempo verbunden, jenem Hurrikan, der Ende der Achtziger Jahre unser Verständnis von Printmedien durcheinanderwirbelte. Seit dieser Zeit hat Peichl sich auf diversen Spielwiesen ausgetobt. Im kalten Dezember des Jahres 2006 versuchte er sich dann noch einmal am Mythos Tempo. Der neugierige Leser durchblätterte die einmalige Sonderausgabe, lächelte ein bisschen und geriet ansonsten ins Grübeln darüber, woher wohl seine Müdigkeit bei der Lektüre rührte. Kein Abenteuer, nirgends.
Ein Jahr später, wiederum im weihnachtlichen Dezember, hat Peichl jemand Neues gefunden. Liebling heißt der Süße, den er in Berlin herausgibt: ab März monatlich, im auffälligen Zeitungsformat 47 mal 31 Zentimeter, Druckauflage 75.000 - ein Produkt von kaum dauerhaftem Distinktionsgewinn, weil es bald in allen Berlin-Mitte-Bars und -Galerien ausliegen wird.
Was besagt es eigentlich über unsere Zeit, dass Zeitschriften nicht mehr Tempo, sondern Der Freund oder eben Liebling heißen? "Der Name impliziert Leidenschaft, Hingabe und - vor allem - Liebe", meint Chefredakteurin Anne Urbauer (Ex-Amica) im Editorial. Soso, denkt man da, kulminiert solch niedliche Leidenschaft nicht höchstens im Zischen der Espressomaschine? Originelles findet sich natürlich: das kluge Plädoyer des Wallpaper-Gestalters Herbert Winkler für die Fraktur-Schrift; Adriano Sacks Erinnerung an die kulturelle Aufrüstung des amerikanischen Porno-Magazins Puritan International durch Norman Mailer, Robert Mapplethorpe und Tennesee Williams in den Achtzigern. Doch sonst dominieren Belanglosigkeiten wie die selbst verfilmte Sekunde aus dem Leben des Leander Haussmann oder die Männermode-Betrachtungen des Vanity Fair-Stilredakteurs Marco Rechenberg. Auch das Alltagsthema "Seife" schäumt trotz der wunderschönen Abbildungen von gebrauchter Seife nicht vor Ideen. "Der Glauben brach in mir aus wie ein Feuer" erzählt der Schauspieler Clemens Schick über einen Klosteraufenthalt. Eine solche Klausur wäre der Redaktion wärmstens zu empfehlen.
Wehmut befällt einen, sobald man auf das frühere Leben des Markus P. stößt. Wie im frisch erneuerten Magazin Horch und Guck, das sich unter diesem possierlichen Titel seit Jahren der Aufarbeitung der DDR-Geschichte widmet, jetzt etwa in Frank Joestels Bericht von einer abenteuerlichen Peichl-Aktion im Frühjahr 1988. Die Tempo-Macher hatte eine 4seitige Ausgabe des Neuen Deutschland fingiert (Auflage 2.000), in die DDR geschmuggelt und in Zügen, Kneipen, auf Bänken und in Telefonzellen ausgelegt. Der überraschte Ostler las nun in ND-üblicher Aufmachung über den neuen "Glasklar"-Reformkurs der SED samt Glückwünschen von Michael Gorbatschow und der Entmachtung des Reformgegners Egon Krenz. Das MfS war alarmiert, das echte ND pikiert - während die "miesen Fälscher" um den 29jährigen Peichl den Coup in Tempo zum Thema machten, als Ermunterung der Bürgerrechtsbewegung, Protest gegen sture Ostbürokraten und Entlarvung der Lüge. Warum dann heute nur Seife? Bitte mehr einstige Leidenschaft, Liebling! Sonst wird das 2008 definitiv nichts mit uns.
Liebling, Zeitschrift für Mode, Film, Musik und Kunst, 2,80 ¤, www.liebling-zeitung.com; Horch und Guck, 16. Jg., Heft 2/2007: 1968 und die DDR, 5,90 ¤, www.buergerkomitee.org
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