März hielt Kapital an Schalck-Firmen

Weitere Enthüllungen über die Verbindungen der Rosenheimer März-Gruppe zu Schalcks KoKo/ Man war nicht nur durch Geschäfte, sondern auch durch gegenseitige Beteiligungen ineinander verstrickt  ■ Von Thomas Scheuer

Berlin (taz) — Der bayerische Metzgerkonzern Gebrüder März war mit dem Schattenreich des früheren DDR-Devisenagenten Schalck-Golodkowski nicht nur durch millionenschwere Geschäfte, sondern auch durch gegenseitige Kapitalbeteiligungen verbunden. So wurde nach einem Bericht der 'Süddeutschen Zeitung‘ während einer gemeinsamen Reise des 1988 verstorbenen Seniors der März-Firmengruppe Josef März und des KoKo-Funktionärs Werner Weber im Jahre 1978 das Kapital für die Firma Camet in Madrid installiert. März stellte anfangs das gesamte Aktienkapital; nach außen hin trat jedoch Weber als Firmeninhaber auf. Über die Konten der Camet wurden Provisionsgelder in Millionenhöhe aus den DDR-Geschäften des März-Konzerns geschleust.

Die Camet, die eine gleichnamige Tochterfirma in Ost-Berlin betrieb, war von Anfang an in Schalcks Firmenimperium „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) eingegliedert. Dort gehörte sie zu jenen „Privatfirmen mit Sonderstatus“, die zwar wirtschaftlich von Schalcks KoKo angeleitet wurden, gleichzeitig aber der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit, also der DDR-Auslandsspionage unterstellt waren. Als wichtigsten Firmenzweck der Camet Madrid notierte deren Geschäftsführer Werner Weber: „...daß die Provisionszahlungen der März-Gruppe in freien Devisen abgewickelt werden“. Nachdem die Provisionsschiebereien Ende der 70er Jahre den Märzens Scherereien mit der Finanzverwaltung eingebracht hatten, schlug März vor, die Ostberliner Camet solle aktienmäßig direkt in die Camet Madrid einsteigen. „Über diesen Besitztumsvorgang“, so teilte Weber 1982 seinem KoKo-Chef Schalck mit, „wird dann eine gesonderte Eigentumsvereinbarung zwischen März und mir abgeschlossen.“

Nach Informationen der taz beschränkten sich die Aktivitäten der Camet keineswegs auf totes Vieh. Die Firma spielte eine wichtige Rolle bei der illegalen Beschaffung von Hochtechnologie und Embargogütern im Westen und führte auch explosive Ware im Angebot, etwa Sprengstoffe, Zünder und Sprengkapseln. Und Spionageinformationen. In einem Vermerk für KoKo- Chef Alexander Schalck zählt Werner Weber zum „Aufgabenbereich“ der Camet ausdrücklich die „Abschöpfung von Informationen über politische und handelspolitische Aktivitäten des Klassengegners“.

Die Interessenlage des Klassengegners Josef März muß derjenigen des SED-Goldfingers Schalck recht ähnlich gewesen sein. Zur geplanten Firmengründung auf den Bahamas ließ März 1982 Schalck von Weber ausrichten: „Diese Firmengründung kann meinen internationalen kommerziellen Koordinierungsbereich und den vom Bereich des Dr. Schalck umfassen. (...) Sollte Dr. Schalck hierzu seine Zustimmung geben, glaube ich in Ihrem wie in meinem Interesse, neue Einnahmequellen zu schaffen.“ Schalck wiederum listete 1985 Vertrauens- und Kontaktpersonen im Westen auf, die ausersehen waren, „in besonderen Spannungssituationen die Weiterführung der Tätigkeit des Bereiches zu sichern“. Ganz oben auf der Liste: sein Rosenheimer Partner Josef März.

Die Enthüllungen über die Verquickung zwischen dem Rosenheimer Metzger-Clan und der KoKo/ Stasi-Firma Camet rücken einmal mehr die Bavaria-Connection der Ostberliner Mafia ins Rampenlicht. Die hat eine lange Tradition. Die Ostberliner Camet-Tochter entstand 1977 durch Umbenennung der Simon G. Industrievertretungen. Deren Inhaber, der langjährige KoKo- Agent Simon Goldenberg war vor Weber offizieller Repräsentant der März-Gruppe in der DDR. In den frühen siebziger Jahren hielt Goldenberg zeitweise Gesellschafteranteile der Westberliner März-Firma Primovo — die erste nachweisbare Kapitalverflechtung zwischen der März-Gruppe und KoKo. Goldenberg siedelte 1976 problemlos aus der DDR nach Rosenheim über. Trotz eindeutiger Hinweise des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf Goldenbergs KGB- und Stasi-Verbindungen blieb Goldenberg von den bayerischen Behörden unbehelligt.