: Märkische Molkerei schwimmt in Milch
■ DDR-weit liegen Milchprodukte auf der Halde / Eine Ursache ist die mangelnde Bereitschaft des Handels, DDR-Produkte abzunehmen / Tagesumsatz in der Milchwirtschaft hat sich halbiert
Potsdam (lbn) - Die Märkische Milchwirtschaft GmbH, ehemals Vereinigung für die Lenkung der milchwirtschaftlichen Industrie in Potsdam, bleibt auf ihren Produkten sitzen. 3.500 Tonnen Milchpulver und rund 2.500 Tonnen Butter verstopfen die Lager. DDR-weit, so schätzt Jürgen Dupke, Mitarbeiter der Geschäftsführung, liegt die zehn- bis fünfzehnfache Menge inzwischen „auf Halde“.
Ursache für die Milchschwemme ist nach Auffassung von Dupke die mangelnde Bereitschaft des DDR-Handels, Produkte aus heimischer Produktion entgegenzunehmen. Die Waren hätten inzwischen in der Verpackungsqualität weitestgehend westlichen Standard, auch die Preise seien erheblich herabgesetzt worden.
Dennoch nehme der Handel die Produkte nicht ab, beziehungsweise gebe die Preissenkungen nicht an den Verbraucher weiter. Für den Bezirk Potsdam entstehen durch die immense Lagerhaltung rund 7,7 Millionen DM monatliche Kosten, schätzt Dupke. Zur Zeit müsse von den rund 2.000 Tonnen Milch, die täglich im Bezirk angeliefert werden, die Hälfte wieder als Magermilchprodukte an den Erzeuger zurückgegeben werden. Von den verbleibenden 1.000 Tonnen können nur 300 Tonnen weiterverarbeitet werden, der Rest wird zu Milchpulver gemacht.
Auch das bewährte Direkt-Lieferverfahren funktioniere nicht mehr richtig. So würden ehemalige Kunden, jetzt mit Lieferverträgen an westliche Handelsketten gebunden, vielfach darauf verweisen, daß sie die Produkte nicht mehr direkt bestellen dürfen. „Da muß es in der oberen Handelsebene Absprachen geben, daß unsere Produkte nicht mehr verkauft werden dürfen. Dieser Eindruck verdichtet sich von Tag zu Tag.“ erläutert Dupke. Der durchschnittliche Tagesumsatz bei der Märkischen Milchwirtschaft ist jetzt halbiert.
Die Märkische Milchwirtschaft hat mit der Meierei-Zentrale West-Berlin, dem Milchhof Berlin und dem früheren Kombinat Milchwirtschaft Frankfurt/Oder das Gemeinschaftsunternehmen Emzett GmbH Berlin-Brandenburg gegründet, das seit dem 1. Juli unter anderem für den Vertrieb in der DDR, insbesondere im Großraum Berlin zuständig ist. Emzett-GmbH -Geschäftsführer Reinhard Winter sieht in den Absatzproblemen der DDR-Ware weniger „bewußte Schiebereien“ als den geringeren Qualitätsstandard. So habe die DDR -Frischmilch nur eine Haltbarkeit von einem Tag, die vergleichbare West-Ware dagegen von fünf Tagen. Um die Kooperationspartner im Raum Brandenburg von ihren Milchbergen zu entlasten, will die Meierei-Zentrale in den nächsten vier bis fünf Monaten rund zehn Millionen Liter DDR -Milch in West-Berlin veredeln und wieder dem DDR-Handel zurückführen. Bis Oktober des Jahres sollen Investitionen von rund 20 Millionen DM abgeschlossen sein. In Potsdam soll dann eine H-Milch-Produktion installiert werden und im Berliner Stadtbezirk Weißensee eine Joghurt-Anlage.
In Leipzig protestierten die sächsische Bauern gegen den Zustand in der Milchwirtschaft. 100 Liter Milch kippten sie am Dienstag vor dem Gebäude der Bezirksverwaltungsbehörde auf die Straße. Mit der Aktion wollten die Bauern aus zehn Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften des Kreises Geithain auf die „katastrophale Situation“ in ihren Betrieben aufmerksam machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen