Machtkampf in der Linkspartei: Ende eines Reformers
Dietmar Bartsch wird beim nächsten Parteitag nicht mehr als Bundesgeschäftsführer antreten. Die Doppelspitze kommt wohl - ob mit oder ohne Lafontaine.
BERLIN taz |Am Ende hatten es alle erwartet: Dietmar Bartsch wird im Mai beim Parteitag in Rostock nicht mehr als Bundesgeschäftsführer kandidieren. Das gab er am Freitag in Berlin bekannt. Nachdem ihm Fraktionschef Gregor Gysi öffentlich Illoyalität gegenüber Oskar Lafontaine bescheinigt hatte, war sein Handlungsspielraum gen Null geschrumpft.
Bartsch verwahrt sich in einer Erklärung nochmals scharf gegen diesen Vorwurf: "Über mich wurden Lügen verbreitet. Sogar von Illoyalität war die Rede." Und weiter: "Es handelt sich nicht um einen Konflikt zwischen Lafontaine und Bartsch. Es geht um die politische und strategische Ausrichtung der Partei." Bartsch, der als Realo Regierungsbeteiligungen der Linkspartei anvisiert, verzichtet auf eine neuerliche Kandidatur um den Weg "weg von einer Personaldebatte, hin zur Politik" zu öffnen.
Bartschs Rückzug war eine Vernunftentscheidung. Einige Reformer, wie der Parlamentarier Steffen Bockahn und Parteivize Halina Wawzyniak, hatten ihm nahe gelegt, trotz allem in Rostock anzutreten. Doch das wäre, so die Einschätzung von anderen Reformern, bestenfalls ein Phyrusssieg geworden. "Auch mit 52 Prozent hätte Dietmar ja nicht gesiegt", so ein Pragmatiker aus dem Osten. Gerade das hätte den Ost-West-Graben noch vertieft.
Im Osten reagiert man auf Bartschs Rückzug zerknirscht. Matthias Höhn, Landeschef der Linkspartei in Sachsen Anhalt, äußert "tiefes Bedauern und höchsten persönlichen Respekt" und bedauert die ihm "öffentlich zugefügten persönlichen Verletzungen und unterstellten Unwahrheiten". Im Klartext ist dies eine Kritik an Gregor Gysi.
Die Linie der Bartsch-Unterstützer beschreibt der Bundestagsabgeordnete Jan Korte. Bartsch, so Korte zur taz, müsse "nun eine hervorgehobene Position in der Linkspartei bekommen". Fraktionschef Gysi hat ihm bereits den Job als einer seiner Stellvertreter angeboten. Ob Bartsch das Angebot annimmt, war am Freitag unklar.
Weitgehend offen ist die weitere Personalplanung. Klar ist, dass es beim Parteitag in Rostock ein genau austariertes Ost-West-Personaltableau geben müsste. Doch so lange Lafontaine nicht erklärt, ob er Parteichef bleiben wird, fehlt das wichtigste Teil im Puzzle. Wahrscheinlich ist trotz aller Ungewissheit zweierlei: Die Linkspartei wird in Rostock - mit oder ohne Lafontaine - eine Doppelspitze wählen. Der Widerstand dagegen im Osten schwindet. Und: Gesine Lötzsch wird wohl eine größere Rolle spielen. Lötzsch kommt aus dem Osten, ist dort gut vernetzt und gehört zu keinem Flügel. Gysi hatte das Fehlen eines vermittelnden Zentrums beklagt. Lötzsch soll für bessere Kontakte zwischen Ost- und Westgenossen sorgen.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat Bartsch indes politisches Asyl in der SPD angeboten. Mehr als ein politischer PR-Gag ist das nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht