: Machtkampf in Nordkorea?
■ Truppenteile verbreiten Nachricht vom Tod des nordkoreanischen Staatschefs / Pyöngyang dementiert / Südkoreanisches Militär in Alarmbereitbereitschaft
Seoul (afp/ap) - Für große Aufregung sorgten am gestrigen Montag Gerüchte über den Tod des nordkoreanischen Präsidenten Kim Il Sung, die in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul verbreitet wurden. Das südkoreanische Verteidigungsministerium hatte in den frühen Morgenstunden bekanntgegeben, nordkoreanische Lautsprecher nahe der entmilitarisierten Zone zwischen beiden Ländern hätten am Sonntag einen Nachruf auf den Staatschef durch den Äther geschickt und sieben Stunden später bekanntgegeben, Kim sei auf einer Zugfahrt erschossen worden. Im östlichen Grenzabschnitt wären die Flaggen auf Halbmast gesetzt worden , Trauermusik werde gespielt. Die Südkoreanische Polizei wurde in höchste Alarmbereitschaft versetzt und die Zeitungen in Seoul berichteten in verschiedensten Varianten über die Affaire. Während einige Blätter die Schießerei im Zug kolportierten, vermuteten andere Attentäter unter einer Gruppe nordkoreanischer Offiziere, die erst vor kurzem in die VR China geflohen waren und von dort aus versucht haben könnten, einen Putsch zu lancieren. Erst um die Mittagszeit tauch ten erste Zweifel an der Sensationsmeldung des ansonsten aus den internationalen Nachrichten abgekoppelten Landes auf. In Nordkorea, Peking, Moskau und Tokio wurde die Mordversion hartnäckig dementiert und gegen Mittag gaben auch die Südkoreanischen Stellen zu, daß sie „keinen schlüssigen Beweis“ für das Ableben Kim Il Sungs hätten. Der Tod sei ihnen vom amerikanischen Geheimdienst CIA und dem Seouler Oberkommando der Streitkräfte übermittelt worden. Amerikanische Militärsprecher erklärten, sie hätten an der Demarkationslinie keine Flaggen auf Halbmast gesehen. Auch die Telefonverbindung nach Pyöngyang funktionierte normal. Unter Beobachtern in Seoul wurde daraufhin spekuliert, in Nordkorea finde möglicherweise ein interner Machtkampf statt. Die Todesmeldung sei eventuell von rebellierenden Militärteilen in Umlauf gesetzt worden, während in der Hauptstadt die Regierung noch fest im Sattel sitze. Hintergrund einer solchen Rebellion könnte die vor rund einem Monat von dem 74–jährigen Kim verkündete Nachfolgeregelung sein. Der Staatsmann, der einen beispiellosen Personenkult pflegt, hatte nämlich als erster Präsident eines realsozialistischen Landes beschlossen, per Dekret seinem Sohn die Nachfolge zu übertragen. DDR–Staatsratsvorsitzender Erich Honecker hatte bei seiner Visite Ende Oktober demonstrativ darauf verzichtet, Kim Jong Il bei Glückwünschen zu erwähnen.
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