MUSLIMISCHE WELT FÜHLT MIT FRANKREICH – AUS DEN FALSCHEN GRÜNDEN : Gute Geiseln, schlechte Geiseln
Die Entführung der französischen Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot im Irak hat zu Tage gebracht, wie dicht das französische Netzwerk in Nordafrika und im Nahen Osten weiterhin ist: Von Algier über Kairo bis nach Ramallah, Bagdad und Katar melden sich in diesen Tagen religiöse und weltliche SprecherInnen sowie arabische Fernsehsender zu Wort. Einhellig verurteilen sie die Geiselnahme. Und einhellig verlangen sie die Freilassung der beiden französischen Journalisten. So viel Unterstützung in der muslimischen und arabischen Welt gegen eine Geiselnahme im Irak war noch nie.
Paris kann stolz auf diese Anteilnahme sein. Sie ist eine Frucht von mehr als einem halben Jahrhundert französischer Diplomatie – in der linke wie rechte Präsidenten ähnliche Ziele verfolgten. Problematisch hingegen ist die Begründung, die zahlreiche religiöse und politische Verantwortliche – von dem Rat der Ulemas bis hin zu Palästinenserführer Arafat – für die Forderung nach Freilassung der beiden Geiseln liefern: die französische Außenpolitik, die Pariser Unterstützung für Palästina und die Position gegen den Irakkrieg. Das sind schlechte Argumente für eine gute Sache.
Natürlich müssen Chesnot und Malbrunot freigelassen werden. Doch nicht, weil sie Franzosen sind. Sondern, weil Geiselnahmen von ZivilistInnen grundsätzlich inakzeptabel sind. Ganz egal, ob die Opfer aus Frankreich, Italien oder Nepal stammen oder ob sie Schulkinder in der russischen Republik Nordossetien sind.
Geiselnahmen und -hinrichtungen sind Verbrechen. Sie werden kein bisschen besser durch ein noch so großes Unrecht, in dessen Namen sie geschehen mögen. ZivilistInnen – und dazu gehören (europäische) Journalisten ebenso wie (asiatische) Arbeiter – sind nicht Repräsentanten eines Staates oder eines Systems. Sie sind auch keine bewaffneten KämpferInnen. Sie tun ihre Arbeit.
Die SprecherInnen der arabischen und muslimischen Welt müssen sich diese Grundregel im internationalen Umgang zu Eigen machen, um künftig mit derselben Verve Freilassungen aller anderen Geiseln zu verlangen. Dann würden sie selbst glaubwürdiger. DOROTHEA HAHN