: MUSIK EXTRA ORDINÄR
■ Senatsrockwettbewerb, 7.Teil: Zum Schluß war da noch der Ausschuß
Ein „bunter Abend“ ist wohl allen ein Begriff. Senatens mutige Band-Auswahl vom vorigen Freitag zeigte in drei Akten die Unerschöpflichkeit der Vielfalt. Mehr darüber im nächsten Absatz.
Ein erholsam leerer Saal und folglich mehr Frischluft als sonst verdankte man einer Jungburschenschaft namens Nimm 4, die im Swing-, Boogie-Woogie und Rock'n'Roll-Rhythmus auf Sympathie und Unterhaltungsprogramm setzten. In Entertainmentfragen hätten sich andere Gruppen noch ein paar Sprüche abschneiden können. Aber ein Quartier ist kein Quasimodo, wir haben es hier mit kritischen Zuhörern zu tun, die sich nicht alles vorträllern lassen. Gibt es keinen richtigen Sänger als Fixpunkt, sondern jeder hulahoot ein Liedlein, vom Kontrabassisten und Gitarristen bis hin zum Keyboarder und sogar zum Drummer, ist das nicht korrekt. Sowas irritiert den deutschen Ordnungskrämer. Blieb also alles, was Arsch und Beine hatte, stur sitzen, und verbreitete dieses unter-ferner-liefen-Feeling.
Gleich nochmal Rock'n'Roll? Neenee, danach iss funky music angesagt. Komisch, die Mischung, was? Aber dieser Abend soll vor Überraschung nicht schützen. Also, rauf auf den Balkon, zweite Reihe, und den black yankie-Sound von zehn Berlinern aus der Ferne beobachten. G.C. Slabs nennt man sich, hat einen arm-verletzten Percussionist und einen urwaldbehaarten Bongotrommler im Gepäck. So richtig rund geht's aber nur vorne, neben dem schwarzen Sänger. Wie ein Wirbelwindchen dreht er sich, sogar unter den drei BlasgesellInnen scheinen sich richtig formierte Tanzbewegungen abzuspielen. Nicht so voreilig! Erstens macht das nur einer anständig und zweitens existieren höchstens vier verschiedene Folgen. Doch siehe da, der Saal ist voll und am mitjuchzen und jeder Song furchtbar lang. Ich kenn‘ einen, George Clinton heißt der, und der macht das auch. Und bei Karstadt, da gibt's ja extra so'n Regal in der Plattenabteilung, wo der Clinton auch dabeisteht, und da gibt's noch mehr davon. Was sagt uns das?
Das sagt uns, Billy Ball wollen da nicht in dem Regal stehen. Vier Männer, die wissen, daß es genug des Flachschalles ist. Die haben den Crash-Collision-Trend Marke Ramstein und Remscheid entdeckt und liefern den Soundtrack dazu. Irre laut und donnernd jagt es links und rechts (dort, wo die Lautsprecherboxen stehen) in die Masse rein. Ein ganz Knallharter mit Cannabis-Wappen an der Weste bombardiert die Schaulustigen mit mitleidslosen Worten. Panik, Entsetzen breitet sich aus. Flucht nach hinten - noch sind die Ausgänge frei. Leute bleibt stehen, es ist doch nur heavy Psycho-Pop, -Billy, -Rock und -Darkmetal! Zu spät. Was bleibt, sind die Opfer, Trümmergestalten. „Das reicht mir jetzt aber langsam, sonst werd‘ ich echt aggressiv“, faucht Tresenkraft Marlene und sichert die Schwingtür der Beletage gegen Lärm ab. Rauch steigt aus den Ritzen. Dumpf klopft eine Zugabe gegen geschlossene Türen. Doch nichts wird die Juroren heute, am Montag, daran hindern, die wirklich Bäähsten zu wählen.
Und ich schwöre, der nächste Freitag wird kommen.
Connie Kolb
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen