MULTIPOLARE WELT: Ein respektabler Falke
■ Zbigniew Brzezinski, porträtiert VON ROLF PAASCH
Als Zbigniew Brzezinski sich bei seinem Chinabesuch 1978 mit seinen Gastgebern der berühmten Mauer näherte, hatte er eine spontane Idee. Er forderte seinen Gegenüber zu einem sportlichen Wettkampf auf: Wer als erster an der Mauer ankam, sollte gegen die Russen kämpfen dürfen. So war der Mann, den Präsident Carter 1976 zu seinem nationalen Sicherheitsberater erkoren hatte: impulsiv, witzig und ganz und gar undiplomatisch.
Zusammen mit seinem Amtsvorgänger Henry Kissinger brachte der 1928 in Warschau geborene Sohn eines polnischen Diplomaten, der nach der Machtübernahme der Kommunisten in Kanada blieb, die Ablösung des außenpolitischen Ostküsten- Establishments durch stramm antikommunistische Emigrantenkinder. Brzezinskis inneradministrative Konflikte mit Außenminister Cyrus Vance, im Vergleich zum knochenharten Zbig ein netter, nadelgestreifter und verweichlichter „WASP“ (White Anglo Saxon Protestant) sind Legende und waren für die wacklige Regentschaft Jimmy Carters mitverantwortlich. Bereits zwischen 1977 und 1980 hatte der Sicherheitsberater in der Liste der „einflußreichsten Personen Amerikas“ weit vor dem Außenminister rangiert. Vances Rücktritt schließlich markierte einen Sieg der „Falken“ in der US-Außenpolitik, schon sechs Monate vor Ronald Reagans Wahlsieg im November 1980.
Daß der Mann, der Figuren wie den Schah von Persien und Nicaraguas Diktator Somoza bis zur letzten Minute stützte, gelegentlich fortschrittliche Ideen zur Lage in der Dritten Welt äußerte und auch für Jimmy Carters Menschenrechtspolitik verantwortlich zeichnete, war eben kein Widerspruch, sondern typisch Zbig. Er paßte seine Meinungen den Erfordernissen an. Er war für Vietnam, ehe er sich später von diesem militärischen Abenteuer distanzierte; um dann im Irankonflikt wieder die Tilgung des Vietnam-Syndroms zu fordern. Die linke Wochenzeitschrift 'The Nation' bescheinigte Brzezinski 1980 „die wunderbare ahistorische Fähigkeit, sich von den peinlichen Niederlagen der Vergangenheit durch die alleinige Verlagerung seines Blicks auf die Gegenwart zu befreien“. Doch selbst seine Kritiker respektierten Zbigs intellektuelle Virtuosität und seine kreativen Ausbrüche. Nur scheint es, daß die Anzahl seiner genialen, aber oft unreflektierten Ideen und Theorien in keinem Verhältnis zu seinen Prinzipien standen.
Sobald Zbig erkannt hatte, daß mit Carters moralischer Menschenrechtsstrategie daheim wie im Ausland kein imperialer Staat mehr zu machen war, verschrieb der Harvard-studierte Sowjetexperte seinem Präsidenten plötzlich eine Politik der Aufrüstung. Bei seinem Amtsantritt hatte Carter noch von einer Reduzierung des nuklearen Arsenals auf 200 Sprengköpfe geträumt. Am Ende seiner Amtszeit hatte Brzezinski die „Präsidenten-Doktrin 59“ durchgeboxt, die mit ihrem Postulat militärischer Überlegenheit die Reagan-Doktrin vom gewinnbaren Atomkrieg vorbereitete.
In der turbulenten Endphase der Carter-Regierung galt Brzezinski in den Medien als Urheber der gescheiterten Außenpolitik, als „Mann, der für uns den Iran verloren hat“, als „umstrittenstes Mitglied einer umstrittenen Regierung“, so etwa 'Time Magazine'. Mit dem Ende der Carter-Regierung kehrte Zbigniew Brzezinski 1981 wieder dorthin zurück, wo ihn Jimmy Carter bereits 1973 entdeckt hatte: ins amerikanische Politikberatungsbusineß.
Als Berater am „Center for Strategic and International Studies“ und Professor für amerikanische Außenpolitik an der Johns Hopkins University in Washington, ist Brzezinski heute in den USA neben Henry Kissinger einer der prominentesten und allgegenwärtigsten Kommentatoren in den politischen Talkshows und Zeitungsspalten. Seine Haltung als respektabler Falke hat er bis heute nicht mehr ändern müssen.
Rolf Paasch
arbeitet als Washington-Korrespondent für die „tageszeitung“
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