MORGEN : Literarischer Marathonlauf der Weltreligionen vor der Neuen Synagoge
Dass sportlicher Wettkampf als Zivilisationstechnik friedensbildende Wirkung haben kann, setzt sich als Einsicht anscheinend auch jenseits der klassischen (olympischen) Disziplinen durch. So lassen die Jüdischen Kulturtage die drei Weltreligionen jetzt zum „Lesemarathon“ antreten, wobei es sich von der Anlage her eher um ein Mit- als ein Gegeneinander handeln dürfte. Seit gestern werden vor der Neuen Synagoge die großen Bücher des Judentums, des Christentums und des Islam gelesen – ohne Unterbrechung von 7 bis 22 Uhr. Initiator und Vorleser Felix Leibrock, von Haus aus evangelischer Theologe, konnte mit dem Berliner Erzbischof Rainer Woelki, der Superintendentin der Evangelischen Kirche Isolde Böhm, dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden Stephan Kramer und Mitgliedern des Zentralrates der Muslime prominente Unterstützer gewinnen. Vorgelesen werden deutsche Übersetzungen der hebräischen Bibel, des Neuen Testaments und des Koran. Lesewillige Besucher dürfen ebenfalls mitmachen. Ob das demonstrative Nebeneinander der monotheistischen Religionen als Zeichen für Toleranz Wirkung zeigen wird, bleibt abzuwarten. Auch darf man Zweifel anbringen, dass sich der erfahrungsgemäß gewaltfördernde Universalitätsanspruch der Glaubensgemeinschaften auf diesem Wege überwinden lässt. Möge es also am Ende nicht bloß ein Bekenntnisspektakel gewesen sein. TCB
■ Lesemarathon: Neue Synagoge, Oranienburger Str. 28. Bis Freitag, 7–22 Uhr