MODERNE KOMMUNIKATION : Feiern mit Nachbarn
Gerade als ich den Schlüssel ins Schloss unten stecke, laufen ein Knirps und seine Mutter hinter mir durch den Hof. „Wenn ich mal nicht reden kann“, sagt der Kleine, „weil meine Stimme weg ist, dann –“ Er bricht ab, aber ich horche auf. Was dann? Das will ich schon wissen, was so ein Knirps dann so macht. Bilder malen, ganz bunt, vielleicht auch Pantomime. Das wären meine Ideen. Ich tu so, als würde das Schloss klemmen. Doch der Kleine lässt sich Zeit und erklärt erst mal, warum denn seine Stimme überhaupt weg sein könnte. „Wenn ich erkältet bin“, sagt er. „Oder krank.“ Gut, denke ich, aber jetzt komm mal zum Punkt. So ein Schloss klemmt nicht ewig, selbst dann nicht, wenn man nur so tut als ob. Endlich erlöst er mich und sagt: „Dann schreib ich dir, was ich will. Über das Internet.“
Aha, denk ich, wär ich jetzt nicht drauf gekommen, aber okay. Mama und Knirps am Küchentisch und „Ich will noch ein Brötchen“ per E-Mail. Nun gut.
Im Treppenhaus treff ich meinen Nachbarn, den von direkt unter mir. Der schreibt mir nicht, was er will, der sagt mir das direkt: Party am Samstag. Ach nee, denke ich, weil Samstag muss ich fett arbeiten und Sonntag früh raus, aber okay.
Am Samstag feiert’s und dröhnt’s unter mir. Ich hier oben sollte auch feiern und dröhnen, weil ich habe Geburtstag, in genau drei Minuten. Doch bevor meine Freundin mit dem Countdown anfangen kann, tun die das unter uns. „Zehn, neun, acht“ und dann „Happy Birthday“ dringt durch die Zimmerdecke zu uns herauf. Meine Freundin und ich schauen uns an. „Da hat auch wer Geburtstag“, sag ich. „Quatsch“, sagt meine Freundin. „Die singen für dich.“ Und dann singt sie mit und ich bestaune die Wunder der neuzeitlichen Kommunikation: Stulle schmieren per E-Mail und „Alles Gute für dich“ via Fußboden. Bin gespannt, was als Nächstes kommt.
JOEY JUSCHKA