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MIT OST-WEST-GLEICHHEIT AUF DU UND DUZwanzig oder drei Jahre?

■ DIW begründet, warum die Anpassung lange dauert

Berlin (dpa/taz) — Die Summe einer kühlen, mit trockenen Zahlen gespickten Rechnung hat kürzlich die Gemüter der Bonner Regierenden erhitzt: 20 Jahre werde es dauern, bis in Ost- und Westdeutschland gleich gute Lebensverhältnisse herrschen werden, verkündeten die WissenschaftlerInnen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Ein deutlicher Kontrast ist das zu den „drei bis fünf Jahren“ der Bundesregierung, die dann auch prompt die 20 Jahre als „viel zu langen Zeitraum“ zurückwies. Nun lassen sich Wissenschaftler nicht gerne nachsagen, sie hätten einfach eine beliebige Hausnummer in die Diskussion geworfen: Deshalb erläuterten die DIW-Volkswirte gestern ihre Rechnung en Detail.

Der Zeitraum von 20 Jahren ergebe sich dann, wenn man im langfristigen Trend ein Wirtschaftswachstum in Ostdeutschland von sieben Prozent pro Jahr annehme. Das sei „eine Rate, der vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland durchaus eine gewisse Plausibilität zukommt“, stellt das DIW klar. Es handele sich um eine reine Modellrechnung, die sich natürlich verändere, wenn man von anderen Wachstumsraten ausgehe.

Das Berliner Institut argumentiert, daß das Bruttoinlandsprodukt — das ist der Wert aller im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen — der Bundesrepublik 1991 etwa 2.678 Milliarden DM betrug. Davon wurden in Ostdeutschland 154 Milliarden DM erwirtschaftet. Umgerechnet auf die einzelne erwerbstätige Person betrug das reale Bruttoinlandsprodukt in Westdeutschland 85.000 DM, in Ostdeutschland 21.000 DM — ein deutlicher Unterschied.

Bei verschiedenen Modellrechnungen habe man unterstellt, daß das westdeutsche Bruttoinlandsprodukt im langfristigen Trend mit einer moderaten Rate von zwei Prozent jährlich zunimmt. Gleichzeitig wurde angenommen, daß die Zahl der Erwerbstätigen jährlich um 0,5 Prozent wächst. Das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen in Westdeutschland nehme damit jährlich mit einer Rate von 1,5 Prozent zu.

Setze sich nun das für 1992 angenommene reale Wachstum in Ostdeutschland von zehn Prozent fort, ergäbe sich „eine Dauer der Anpassung der Wirtschaftskraft je Erwerbstätigen von knapp 14 Jahren“. Gelänge es, das Wirtschaftswachstum durch eine massive Investitionstätigkeit zu erhöhen, so verkürzte sich der entsprechende Zeitraum. Würden im langfristigen Schnitt aber nur sieben Prozent Wachstum erreicht, was nicht nur das DIW für realistischer hält, komme man auf 20 Jahre.

Wenn man sich jetzt nicht über Wachstumsprozente streiten mag, hätte die Rechnung aber immerhin noch den Nutzen, daß sie zeigt, wie lange große Summen Geldes von West nach Ost überwiesen werden müssen, betont das DIW. Denn wenn die Einkommen schnell angehoben würden, während die Produktion in Ostdeutschland weiter zurückbleibt, dann müsse diese Lücke eben mit Hilfe öffentlicher Transfers geschlossen werden. Warten wir also auf die Gegenrechnung der Bundesregierung. Donata Riedel

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