MIT ODER OHNE GAS-OPEC – DIE ENERGIEPREISE WERDEN WEITER STEIGEN : Demonstration der Macht
Warum so spät? Erst jetzt wird eine Gas-Opec gegründet. Dabei erscheint die Idee so naheliegend, wie beim Öl auch ein Preiskartell für Gas zu installieren. Trotzdem haben die Hauptakteure Iran und Russland lange gezögert. Offenbar hatten sie Angst, sich lächerlich zu machen. Und tatsächlich gab es früher gute Gründe, warum ein Gaskartell nur scheitern konnte. Denn anders als Öl ist Gas nicht beliebig transportierbar, sondern wird meist über Pipelines an seinen Bestimmungsort befördert. Lieferant und Abnehmer sind aneinandergekettet. Das macht es fast unmöglich, wie beim Öl den Preis durch Lieferstopps oder Mengenreduzierungen künstlich nach oben zu jagen.
An diesem uralten Logistikproblem der Gasproduzenten hat sich fast nichts geändert. Die Pipelines können zwar mit Flüssiggastankern umschifft werden, aber das ist exorbitant teuer. Woher rührt also der plötzliche Mut, es mit einer Gas-Opec zu versuchen? Der Trick ist simpel: Iran und Russland gründen jetzt das Kartell, weil sie es jetzt nicht mehr brauchen. Es ist ein rein symbolischer Akt, aber das macht es nicht angenehmer für den Westen. Die Gasproduzenten müssen ihr Angebot gar nicht mehr künstlich durch Kartelle verknappen – dafür sorgt die Unersättlichkeit der Abnehmer. Die Energievorräte schwinden weltweit, was die Preise automatisch in die Höhe treibt. Mit oder ohne Kartell. Diese Logik des Marktes nutzen Russland und Iran nun zur Selbstdarstellung: Ihre geplante Gas-Opec ist nur die nachträgliche Demonstration faktischer Macht.
Der Westen tut sich schwer, diese neue Realität anzuerkennen. Da wird die „Ordnungspolitik“ beschworen, werden Kartelle als ein Hemmnis für die freien Märkte verdammt. Dabei wird gerne übersehen, dass der Energiemarkt kein normaler Markt mehr ist. Die Gasproduzenten sind keine Bäcker, die im harten Wettbewerb ihre überzähligen Brötchen losschlagen müssen. Auf den meisten Märkten konkurrieren die Anbieter – bei der knappen Energie werden die Kunden gegeneinander ausgespielt. Das kann man ein Kartell nennen, wenn man will. ULRIKE HERRMANN