MIT EURO-KARTELLEN AUF DU UND DU: EG-Kommission machtlos
■ EG-Gerichtshof: Bußgeld gegen Plastikkartell nichtig
Luxemburg/Brüssel (dpa/taz) — Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ein Ende 1988 von der EG-Kommission verhängtes Bußgeld von rund 50 Millionen DM gegen ein europäisches Plastikkartell für nichtig erklärt. Der EuGH kam in einem Urteil gestern zu dem Schluß, daß die Entscheidung der Kommission nicht rechtskräftig ist, weil grobe Verfahrensfehler vorliegen. Es ist das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, daß ein Bußgeldbescheid der EG wegen Verfahrensfehlern für ungültig erklärt wird.
Die Wettbewerbshüter hatten Ende Dezember 1988 entschieden, daß 16 Chemieunternehmen — darunter auch die deutschen BASF AG, die Hüls AG, die Wacker Chemie GmbH und die Hoechst AG — wegen Preisabsprachen für die Produktgruppen PVC und Polypropylen gegen Artikel 85 des EWG-Vertrages verstoßen hätten. Gegen diesen Bescheid hatten fast alle betroffenen Hersteller Klage eingereicht.
Nach eingehender Prüfung der Unterlagen wurde nach Auskunft des Gerichtshof ersichtlich, daß der Kommissionsentscheid und die Texte, die den Firmen zugestellt und im Amtsblatt der EG veröffentlicht wurden, inhaltlich und sprachlich voneinander abwichen. Es seien Änderungen von nichtzuständigen Personen oder Stellen vorgenommen worden, was „sämtliche zugestellten Rechtsakte ungültig mache“.
In der Logik der Juristen sei die Klage der Hersteller „gegen einen inexistenten Rechtsakt als unzulässig abzuweisen“.
Das Urteil zeigt erneut, wie wenig Einfluß die Wettbewerbshüter in Brüssel auf die Verhinderung von europaweiten Kartellen nehmen — nicht nur in diesem Fall, weil sie sich bereits in Verfahrensfragen verheddern, bevor sich der Gerichtshof überhaupt mit der Überprüfung inhaltlicher Gründe befaßt.
Erst Anfang Februar hatte der Gerichtshof in einem anderen Fall verfügt, daß der britische Konzern British Aerospace Subventionen in Höhe von 44 Millionen Pfund nicht zurückzahlen müsse, weil die Kommission bei der wettbewerbsrechtlichen Prüfung einen Verfahrensfehler begangen hatte. (AZ T-79/89 u.a.).
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