MIT DER NICA-DRÖHNUNG AUF DU UND DU: Solidaritätsmüde Szene
■ Eine Studie des Bielefelder Dritte-Welt-Hauses
Kaffee aus Mexiko oder Tansania, Tee aus Sri Lanka oder Indien, Mate aus Brasilien, Honig aus Argentinien, Bananen aus Nicaragua, Gewürze aus Sri Lanka, Zucker von den Philippinen, Reis aus Spanien, Kakao aus Bolivien oder Wein aus Algerien. Die Palette des alternativen Dritte-Welt-Handels, einst zum bedeutenden Standbein praktischer Solidarität erkoren, ist reichhaltig geworden. Doch die Luft ist aus dem Geschäft raus, die Szene anscheinend auch im Konsum solidaritätsmüde. Die Bilanzen der alternativen, auch von Kirchen mitbegründeten Handelsorganisation stagnieren, wie jetzt eine Studie des Bielefelder Dritte- Welt-Hauses zeigt.
Der „gerechte Handel“ sei mit einem Gesamtumsatz von etwa 40 Millionen Mark „volkswirtschaftlich bedeutungslos“, heißt es in der Studie: „In den letzten Jahren stagnierte die Entwicklung. Die Umsätze in den Weltläden stiegen nur noch gering oder waren rückläufig.“ Das habe einige Importorganisationen veranlaßt, ihre Waren nicht nur an Bio-Läden, sondern auch an Supermarktketten zu verkaufen.
Die schlechte Absatzlage scheint die Organisationen bei den Zielsetzungen zu spalten. Während die GEPA (Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbh), eine Handelsgesellschaft der Kirchen und Dritte- Welt-Basisgruppen, eine Handelsausweitung anstrebt, die „die klassischen Bahnen des Dritte-Welt- Handels verläßt“, legen andere Organisationen wie „El Puente“, „Liberacion“ oder „Mitka“ Wert auf ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Handel, Projektförderung und Informationsarbeit.
Trotz aller Differenzen aufgrund fehlender Nachfrage seien die bereits vor 20 Jahren gesetzten Ziele dennoch weiterhin bestimmend, stellt die Studie fest: Praktische Solidarität mit den Benachteiligten, ein gerechter Handel und nicht profitorientierte Vertriebsstrukturen. GEPA, die als „alternative Marktführerin“ gilt, unterhält inzwischen Kontakte zu mehr als hundert Projekten in über 30 Ländern.
Das Angebot soll jedoch nicht nur erweitert werden, sondern die Handelsorganisationen wollen stärker als bisher den hiesigen Verbrauchergeschmack berücksichtigen: Nicaraguanischer „Cafe Organico“ oder Bio-Tee aus Sri Lanka für den ökologisch bewußten Genuß; Bananen, Wein, Honig, Kakao oder Cashewkerne für's süße Begehren — alles Handelsprodukte, die Kleinproduzenten oder Landarbeiter begünstigen, da ihnen ein hoher Profitanteil zukommt. Der Handel mit einigen Produkten kommt sogar Landlosen in Brasilien zugute, die brachliegende Felder von Großgrundbesitzern bearbeiten.
Doch die Honorierung durch die Solidaritätsszene bleibt weitgehend aus. Die Konsumenten in den „Weltläden“ seien langjährige Stammkunden, während neue Kundschaft eher die Ausnahme sei, so die Studie. Zwar erwähnen die Autoren die Gründe nicht ausdrücklich, doch sie liegen auf der Hand: Im Zeitgeist, der auch vor den einst politisch Bewegten nicht haltmacht, paaren sich Faulheit und Genuß. Die „Weltläden“ kommen mit ihrem Anspruch auf Information und Handelsausweitung jedoch nicht aus der „alternativen Ecke“ heraus.
Wie sinnvoll dieser Handel für die Dritte-Welt-Bewegung aber weiterhin ist, vermittelt die Studie mit einem detaillierten Vergleich der Handelswege am Beispiel einiger Produkte in der „real existierenden Marktwirtschaft“ und im „alternativen Dritte-Welt-Handel“. Uwe Pollmann
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