MIT DEM DOLLARKURS AUF DU UND DU: Steigt er, oder fällt er?
■ Sicher scheint nur die Unsicherheit der Prognosen
Berlin (taz) — Das historische 1,44-Mark-Tief des Dollarkurses gegenüber der D-Mark vom Montag reizt selbst taz-RedakteurInnen zur Spekulation. „Jetzt ganz viele Dollars kaufen“, empfahl auf der Redaktionskonferenz nicht allein die Meinungsredakteurin — ganz im Vertrauen auf jene Marktanalytiker, die das Dollar-Tief für ein kurzfristiges Phänomen halten. Andere Devisenhändler jedoch halten es für durchaus möglich, daß der Kurs der US-Devise zumindest mittelfristig weiter absinkt.
Für beide Erwartungen lassen sich gleich gute (oder schlechte) Gründen finden. Abgerutscht ist der Dollar vor allem deshalb, weil die Konjunktur in den USA nicht, wie erhofft, aus der Rezession herauskommt und die D-Mark gleichzeitig nach der Diskontzinssatzerhöhung durch die Bundesbank höher bewertet wird.
Die Stützaktionen der US-amerikanischen und europäischen Notenbanken hatten zwar zunächst Erfolg, indem sie die Talfahrt des Dollar abbremsten und umkehrten — bis auf 1,50 DM am Dienstag. Dabei zeigten allerdings relativ geringe Einsätze der Gemeinsamkeit demonstrierenden Notenbanken psychologisch enorme Wirkung. Gestern nun pendelte sich die US- Devise zwischen dem historischen Tief und dem gestützten Hoch wieder ein.
Keinen Effekt zeigte dabei der Auftritt des US-Notenbankchefs Allan Greenspan vor dem Bankenausschuß des US-Senats. Greenspan prognostizierte einen baldigen Aufschwung der US-Wirtschaft, kündigte aber keine weiteren wirtschaftsankurbelnden Zinssenkungen an. Die Arbeitslosigkeit werde dabei zunächst hoch bleiben.
Wenn die Mehrheit der Devisenspekulanten geglaubt hätte, daß Greenspans bekannte Konjunkturprognose diesmal schnell eintreten würde, dann wäre der Dollar gestiegen; wenn sie den Blick fest auf die negativen Arbeitsmarktdaten gerichtete hätte, wäre der Dollar gefallen.
Daß die Bundesbank gestern meldete, die Geldmenge M3 sei im Juni etwas langsamer gestiegen als in den Vormonaten (ein Plus für die D-Mark), aber immer noch mit 8,7 Prozent weit über dem Ziel liege (ein Minus für die Mark), zeigte ebenfalls keinen Effekt am Markt. Um so mehr verunsichert die Devisenhändler, daß offenbar immer mehr US-WählerInnen den Demokraten Bill Clinton zum US-Präsidenten wählen wollen. Bei einem Wahlsieg Clintons würde der Dollar zunächst fallen, danach käme es wiederum auf die Konjunkturdaten an. Die D-Mark würde an Wert verlieren, wenn die Devisenhändler das bundesdeutsche Haushaltsdefizit als wachsendes Problem ansehen würden (wofür es ebenfalls gute sachliche Gründe gibt).
Wer als Spekulantin eher auf langfristige Entwicklungen setzt, wird eher argumentieren, daß der Dollar seit der Freigabe der Wechselkurse am 19. März 1973 (bis auf kleinere Zwischenhochs) beständig gegenüber der D-Mark gefallen ist, also weiter absacken wird. Sicher ist dabei nur eins: Prognosen über den Dollarkurs sind derzeit höchst unsicher. Donata Riedel
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