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MIT BÖRSEN-JUBILÄEN AUF DU UND DUGeburtstags-Spekulation

■ Die New Yorker Börse feiert ihr Jubiläum zu früh

New York (ap/dpa/taz) — Gerüchte bestimmen häufig den Gang der Geschäfte an der Börse. Wen wundert's, daß die SpekulantInnen jetzt auch mit dem Geburtstagstag der größten Börse der Welt nicht allzu exakt umgehen. Der Legende nach wird die New York Stock Exchange (NYSE), Inbegriff des Kapitalismus, in diesem Monat 200 Jahre alt. In Wirklichkeit wurde sie erst im März 1817 gegründet. 1792 aber sollen sich schon 24 amerikanische Anleihehändler im Schatten eines „Buttonwood“-Baumes, einer nordamerikanischen Platane, getroffen haben, um mit amerikanischen Staatsanleihen zu handeln. Dieses „Buttonwood-Abkommen“ feierte gestern an der Wallstreet Nr. 11 der US-amerikanische Geldadel mit einem Wohltätigkeitsfest zugunsten der weniger Begüterten, bei dem sie pro Gala-Diner-Tisch 25.000 Dollar hinblätterten. Heute ist Wallstreet gleichbedeutend mit dem riesigen US- Wertpapiermarkt. An ihr sind 1.885 Titel notiert, die zusammen einen Wert von 3,5 Billionen Dollar (5,6 Billionen Mark) repräsentieren. Das tägliche Handelsvolumen umfaßt rund 180 Millionen Aktien. Beim Börsenkrach im Oktober 1987 waren es sogar 600 Millionen Aktien. Die NYSE sieht sich allerdings in letzter Zeit zunehmender Konkurrenz anderer amerikanischer und auch internationaler Aktienmärkte ausgesetzt. Besonders der US-Freiverkehrsmarkt NASDAQ, eine elektronische Börse ohne jedes Börsengebäude, aber auch Tokio, London, Paris, Frankfurt machen der traditionsreichen US-Börse an der Ecke von Wallstreet und Broad Street im New Yorker Finanzbezirk zu schaffen.

Während in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts große amerikanische Konzern- und Bankbosse— die Morgans, Rockefellers und Mellons — die Börse beherrschten und ihre gewaltigen Konzerne durch riskante Unternehmenskäufe und Aktienmanipulationen zusammenbrachten, gab es nach dem 1. Weltkrieg in den 20er Jahren den ersten Ansturm auch der DurchschnittsamerikanerInnen auf die Börsenspekulation. Doch nach dem großen Börsenkrach von 1929 wurde es still in der Wallstreet. Erst in den 50er und 60er Jahren gab es wieder eine Invasion der Börse durch KleinanlegerInnen. Der Börsenkrach vom Oktober 1987 setzte zwar wieder ein Warnsignal, doch inzwischen hat sich der Dow-Jones-Index für 30 Industrieaktien wieder auf knapp 3.400 Punkte verdoppelt.

Neben einigen Wertpapierhändlern gibt es nun auch WissenschaftlerInnen, die die Zeiten, in denen MaklerInnen durch Zuruf Millionenwerte bewegten, der Vergangenheit zurechnen. Die Chefs der New Yorker Börse weisen solche Vorstellungen zurück. Forderungen nach weiterer Automatisierung des Börsengeschehens lehnen sie strikt ab. „Wir versuchen die falsche Vorstellung zu zerstreuen, daß es antiquiert sei, auf die menschliche Intelligenz beim Handel zu vertrauen“, sagte der NYSE- Vorsitzende William Donaldson in einem Interview. Das Parkett sei die effektivste und kostensparendste Methode weit und breit. dri

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