MIT BEDARFSANALYSEN AUF DU UND DU: Energiejunkies West
■ Die Industrie prognostiziert sich weiteres Wachstum
Berlin (taz) — Zehn Tage nach dem Gipfel in Rio haben sich die deutschen Energiemanager auf ihrem Energietag in Bonn selbst Mut gemacht: Sie prognostizierten gestern ein rasendes weiteres Wachstum des weltweiten Energieverbrauchs. Gerhard Ott vom deutschen Komitee des Weltenergierates sagte eine Steigerung des Weltenergiebedarf von derzeit 12 auf 20 Milliarden Tonnen Steinkohleeinheiten bis 2020 voraus.
Einsparungen und eine erhöhte Energieeffizienz könnten dieses Problem nicht lösen, gab der Chef des größten deutschen Energieunternehmens RWE, Friedhelm Gieske, die Interpretation vor. Gieske sitzt im Präsidium des 150köpfigen deutschen Komitees des Weltenergierates. Dem Präsidium gehören neben Gieske die Chefs der Ruhrkohle, der Ruhrgas, der Veba, der VEW und als Präsident der langjährige Vorstandsvorsitzende des größten deutschen AKW-Bauers, der Siemens-Kraftwerksunion (KWU), Klaus Barthelt, an.
Die Prognosen gehen davon aus, daß auch im industrialisierten Norden der Energiekonsum munter weiterwachsen wird. Ott betonte in seiner Rede zwar, daß 80 Prozent der weltweiten Steigerung beim Energiebedarf auf die sogenannte Dritte Welt entfallen werden, das heißt aber immer noch, daß 20 Prozent des Wachstums offenbar in den Industrieländern zu erwarten sind. Führt man sich gleichzeitig vor Augen, daß bis zum Jahr 2020 die Weltbevölkerung von 5,5 auf 8 Milliarden Menschen steigt und daß dieses Wachstum vor allem im armen Süden stattfindet, darf sich der Pro-Kopf-Energieverbrauch dort nicht erhöhen. In den nördlichen Haushalten und Industriebetrieben dagegen würde demnach der Verbrauch noch einmal um ein Fünftel steigen.
An Konzepte zur Einschränkung des steigenden Energiebedarfs im Norden dachten die in Bonn versammelten Energiemanager ganz offensichtlich nicht. Vielmehr müsse in der Bundesrepublik der Energiemix einschließlich der Atomkraft aufrechterhalten werden, betonte RWE-Chef Gieske.
Fundamentale Veränderungen halten die Energiemanager dagegen im Süden für notwendig. Ott warnte, die unzureichende Energieversorgung in den Ländern des Südens würde deren wirtschaftliche Situation weiter verschlechtern und die Armut vergrößern. Die Bevölkerungsentwicklung müsse zum zentralen Thema der Energiepolitik werden.
Der Weltenergierat, dem das deutsche Komitee angehört, ist 1924 gegründet worden. In 90 Ländern gibt es solche Komitees. Den nationalen Komitees müssen alle „wichtigen energiepolitischen Interessengruppen“ im Land angehören. Hermann-Josef Tenhagen
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