MÄDCHEN : Lebende Süßigkeiten
Die gewöhnliche Umgebung eines Stadtparks, gar die Weitläufigkeit des Tempelhofer Feldes, wäre diesen jungen Damen wohl zu ordinär. Für ihr Picknick wählen sie das Hügelchen im Victoriapark. Von hier kann ihre Aufmachung Glanz abstrahlen auf ganz gewöhnlich gewandete Menschen.
Bilder solcher aufwendigen Kleider, Frisuren und Accessoires sind mir neulich eher zufällig untergekommen, für dieses Schauspiel aus Röckchen, Blümchen und Schleifchen halte ich mich nun für gewappnet. Aber schon bei der Einschätzung, wie alt diese Mädchen sein mögen, muss ich passen. Jede trägt ein hochtailliertes Kleid mit abstehendem Rock bis zum Knie, eine Art zeitgenössischen Petticoat. Bonbonfarbene Strumpfhosen oder Kniestrümpfe säumen die meist auf hohen Stiefelchen staksenden Beine, Puffärmel die oberen Gliedmaßen. Perücken oder Hütchen bilden den Kopfputz, knallfarben die Schminke. Hierhin und dorthin posieren sich die wandelnden Püppchen für Fotos, auf den Picknickdecken breiten sie ihre Röcke sorgfältig aus.
Der optischen Süßigkeit entsprechend scheint die weibliche Gesellschaft ausschließlich Eis, Kuchen und Wassermelone zu verzehren, Berge von Zuckerwatte würden das Bild perfekt ergänzen. Warum nur erinnern mich die Mädchen an große Lollies mit reichlich künstlichen Aromen und Farbstoff? Als es zu regnen beginnt, wird das Stoffschirmchen aufgespannt und eiligst unter den nächsten Baum getrippelt.
Eine Freundin hat dann doch gefragt: Die Mädchen nennen sich „Lolitas“, sie verabreden sich regelmäßig an öffentlichen Orten Berlins. Ihre Kleider bestellen sie in Japan, aber gegen einen gewissen Manga-Stil grenzen sie sich ab. Die harmlose Auffälligkeit löst sich auf, mancher Mädchenschoß nimmt auf einem Drahtesel Platz.
FRANZISKA BUHRE