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Archiv-Artikel

MATTHIAS URBACH über PERFEKTER KAUF Es muss nicht immer Seelachs sein

Gut, wenn man weiß, was ökologisch korrekt ist. Schlecht nur, wenn es einem dauernd aufs Brot geschmiert wird

Soziale Kontrolle ist in. Ich schwenke gerade ein paar Fischstäbchen in der Pfanne für meinen Junior, als es klingelt. Vor der Tür steht – viel zu früh – Robert, der mich zum Kino abholen will. Ich winke ihn mit der Pfanne rein. „Willst du was mitessen?“

„Fischstäbchen?“ Robert starrt ins blubbernde Öl. „Gibst du das dem Kleinen?“ Okay. Ist nicht die beste Wahl, aber mein Dreijähriger liebt es. Und es geht schnell. Aber scheiß drauf, ich will mich nicht rechtfertigen. „Das schmeckt uns!“, entgegne ich etwas zu laut und wende die Stäbchen.

Robert grinst. „Ein ordentliches Filet schmeckt besser.“ – „Hier ist auch Filet drin!“, knurre ich. Worauf will der nur hinaus?

„Umrahmt von ’nem Drittel Panade“, bohrt Robert weiter. – „Dafür“, beharre ich gereizt, „kann man es mit Ketchup essen.“ Robert grinst überlegen: Genau hier wollte er mich haben. „Typisch: In der taz die große Show abziehen, gesunde Ernährung, Ökoeinkauf und so, aber die Kinder futtern den üblichen Mist.“ Autsch! „Na ja“, lenke ich ein und brabble irgendwas von „Ausnahme“.

Grauenhaft. Kaum setzt man sich für Ökologie ein, schon darf man nicht mehr in ein Auto steigen oder ein paar Fischstäbchen braten. Hab ich kein Recht auf ein paar blinde Flecke? Robert ist sowieso nur frustriert, weil er nicht mehr SPD wählen kann. Trotzdem muss ich mich als Journalist zurückhalten: Erhebt doch meine Zunft ständig höchste moralische Ansprüche.

Ein paar Tage darauf luden wir unsere aufgeklärten Nachbarinnen spontan zum Essen ein – wir hatten etwas viel Scholle gekauft. „Scholle?“, fragt Karola entgeistert. „Das hätte ich gerade von dir nicht erwartet.“ Ich ahne, was kommt. „Weißt du nicht, dass die Nordseebestände auf historischem Tiefststand sind?“, sekundiert Julia. „Die werden mit Baumkurren und Scheuchketten gefischt, weil die sich so eingraben.“ – „Das heißt: jede Menge Beifang, und die Kurren zerpflügen den Meeresboden“, ergänzt Karola. „Das müsstest du doch eigentlich wissen!“

„Dann machen wir halt nächstes Mal Fischstäbchen“, entgegne ich. „Na, für die wurde erst der Kabeljau völlig überfischt, dann der Seelachs.“ Karola kommt richtig in Fahrt. „Jetzt wird gerade der Alaska-Seelachs kaltgemacht – als Nächstes der Seehecht.“

„Wo hast du das denn alles her?“, frage ich perplex. „Aus der Zeitung!“ Touché.

Also schön: Ich recherchiere das nach. Auf der Homepage von Greenpeace finde ich eine schöne Aufstellung. Dort wird erklärt, welche Fische man getrost verspeisen kann und welche Bestände man besser schonen sollte. Tatsächlich sind selbst Tiere, die unsere Supermarkttruhen massenhaft bevölkern, im Meer oft nur noch schwer zu finden. Selbst der billige Alaska-Seelachs für die Fischstäbchen aus dem Beringmeer gilt als überfischt.

Kritisch sehen die Ökologen auch die Situation von Regenbogenforellen, Nordseegarnelen, Heilbutt und Rotbarsch. Empfehlen können sie die genügsamen Zuchtkarpfen, Makrelen, Heringe sowie Seelachse, deren Bestand sich dank Fangquoten einigermaßen erholen konnte. Auch Fische aus ökologischer Zucht sind okay. Ich wähle den Viktoriabarsch und lade Robert und die Nachbarinnen zum Essen.

„Ach, Viktoriabarsch?“ Robert setzt schon wieder dieses Grinsen auf. Auch meine Nachbarinnen treiben ins Schleppnetz. „Die wurden doch im Viktoriasee eingeschleppt, die Biester“, sagt Karola. „Eine Tragödie.“ – „Das Ungeheuer hat alle einheimischen Arten verdrängt“, ergänzt Robert. „Ja, weißt du das denn nicht?“ „Genau“, erwidere ich. „Und deshalb habe ich auch für jeden von uns zwei Filets gemacht. Damit möglichst bald auch der letzte böse Barsch aus dem Viktoriasee herausgefischt ist.“ Meine Welt war wieder in Ordnung.

Fazit: Für Rechthaber ist Viktoriabarsch erste Wahl. Alle anderen kaufen Seelachs, Hering, Biolachs – und an Feiertagen ausnahmsweise Fischstäbchen.

Fragen zum guten Fisch? kolumne@taz.de Morgen: Bernhard Pötter über KINDER