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Archiv-Artikel

MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLAND Mit Horn oder ohne?

Bio-Käufer glauben, dass zu jeder glücklichen Kuh zwei Hörner gehören – dabei verletzen sich die Tiere damit

Glaubt man den Worten von Marketingfuzzis, dann geht der Ökolebensmittel-Verbraucher davon aus, dass Kühe auf Biohöfen Hörner tragen. So kann es schon mal vorkommen, dass ein Biobauer, der zur Produktidentifikation mit seiner Lieblingskuh das Foto auf der Milchtüte ziert, feststellen muss, dass der hornlosen Kuh von den Werbefritzen ein digitaler Kopfschmuck gewaltigen Ausmaßes – Marke „Texas Longhorn“ – verpasst wurde. Der Marketingfuzzi sagt, man habe es versucht, aber der Verbraucher akzeptiere eine hornlose Biokuh einfach nicht. Daher verwende man für öffentliche Auftritte grundsätzlich nur noch Kühe mit Hörnern.

Wie schade. Denn meistens ist die Wahrheit nicht so einfach, wie Verbraucher und Marketingfuzzis sie gerne hätten. In diesem Falle sollte man die Wahrheit erklären, statt sie zu verbiegen; sonst erschafft man die Illusion einer Idylle, die es nicht gibt und deren zynischste Ausprägung das Huhn im Gras vor dem Fachwerkhaus auf dem Käfigeierkarton ist. Um es also klarzustellen: Auch Biokühe werden enthornt. Nicht alle und nicht überall, aber doch überwiegend, und das immer aus dem gleichen Grund: Unsere heutigen Kuhställe sind für behornte Kühe nicht geeignet.

Es war Anfang der achtziger Jahre, als die betriebliche Pflicht-Unfallversicherung für Landwirte wegen der vielen Unfälle im Kuhstall ihre Mitglieder aufforderte, künftig alle Rinder im Kalbesalter zu enthornen. Gleichzeitig setzte der Trend zu Laufställen ein. Vorher waren Kühe die ganze Zeit an einem Platz angebunden, an dem sie fraßen, schliefen, gemolken wurden und nicht vom Fleck konnten. Im Laufstall können sich die Kühe frei in der Gruppe bewegen. In diesen Ställen, meist Ende der Achtziger gebaut, stehen vielfach noch heute die Kühe; denn Kuhstallbauinvestitionen werden für Generationen getätigt. Auch der Bauer, der seinen Betrieb auf biologische Landwirtschaft umstellt, muss mit diesem Stall leben.

Kühe benutzen Hörner als Waffe gegen Artgenossen, um innerhalb der Herde Rangordnungen festzulegen. In der Prärie weicht die unterlegene Kuh einfach aus. In einem Stall mit begrenzter Fläche führt das aber dazu, dass Kühe sich immer wieder verletzen.

Es war ein Fehler, Ställe so zu bauen, dass an den Tieren herummanipuliert werden muss. Solange die Ställe aber so sind, werden wir um das Enthornen nicht herumkommen, sei es durch Ausbrennen der Hörner im Kalbesalter oder die Zucht genetisch hornloser Kühe. Da mag der Marketingfuzzi traurig sein. Der Bauer ist es auch. Und die Kuh erst …

Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat