MATTHIAS LOHRE über MÄNNERViele Männer tanzen ungern. Sie haben allen Grund dazu. Frauen mustern sie dabei gnadenlos : Herumwerfen der Arme, Schlackern der Knie
Die Sache begann schiefzulaufen, als ich 14 war. Dürr, blass und nervös stand ich am Rand, als vor mir eine Horde Gleichaltriger linkisch ihren ersten Tanzkurs machte. Ich fühlte mich wie auf dem Zehn-Meter-Turm beim furchtsamen Blick ins Becken. Nur dass Fallenlassen jetzt auch keine Lösung gewesen wäre. Anja kam vorbei, meine große Teenagerliebe, und fragte interessiert: „Ach, tanzt du auch?“ Bemüht ungerührt entgegnete ich: „Ich überleg’s mir noch.“ Anja, skeptisch: „Mmmmmh.“ Dann war sie weg. Aus uns beiden ist danach nichts geworden. Heute weiß ich, warum.
Britische Psychologen wollen nun herausgefunden haben, was ich damals hätte tun sollen. Genauer gesagt, haben die Wissenschaftler von der Northumbria University in Newcastle-upon-Tyne 19 Männer zwischen 18 und 35 Jahren gefilmt, während diese auf Discomusik tanzten. Aus dem mit 3-D-Kameras gefilmten Material wurden Videoclips gestaltet, in denen gesichts- und geschlechtslose Figuren 15 Sekunden lang tanzten. 37 heterosexuelle Frauen sahen sich die Clips an und sollten die Attraktivität der Tänzer bewerten. Das Ergebnis: „Schlechte“ Tänzer wirkten steif und bemüht. Auch das Herumwerfen ihrer Arme konnte das Fehlen schneller Bewegungen aus der Körpermitte heraus nicht ersetzen. Hingegen machten als gut bewertete Tänzer größere und weitere Bewegungen mit Kopf, Nacken und Oberkörper, und aus irgendeinem Grund beugten und drehten sie das rechte Knie öfter. Daraus folgerten die Psychologen: „Gute“ Tänzer signalisieren dadurch Gesundheit, Energie und Stärke. Und anscheinend einen Hang zum Twist.
Ich könnte jetzt einwenden: Ja-ha, was wäre denn gewesen, hätten die Herren Wissenschaftler ein geschlechts- und gesichtsloses Abbild von mir genommen, wie es neben der Tanzfläche steht und Bier trinkt? Vielleicht hätten die Damen ja gedacht: „Dieser Prachtkerl hat es nicht nötig, mit Kopf, Nacken und rechtem Knie zu wackeln, und vor allem Letzteres ist ja auch eher albern. Nein, dieser Mann ist nämlich auch was ganz Besonderes, wie der kleine Junge aus der alten ‚Werthers Echte‘-Werbung.“
Aber das wäre Selbstbetrug. Denn heute ist mir klar: Tanzen dient Frauen dazu, herauszufinden, ob ein Mann dominant ist, Selbstvertrauen und Körperbeherrschung besitzt. Tanzen ist also eine weitere Möglichkeit, bei Frauen in Ungnade zu fallen.
Männer sind meiner Erfahrung nach weniger grausam. Wenn eine Frau nicht so toll tanzt, drücken sie gern ein Auge zu. Solange sie gut aussieht. Dennoch ist es nur Frauen gelungen, ihrer Art der Partnersuche den Ruf des Romantischen anzuheften. Zumindest, sofern man bereit ist, „Dirty Dancing“ romantisch zu nennen. Für das Männer-Faible für wohlgeformte, junge Frauenkörper hingegen gilt das, nun ja, jetzt nicht so unbedingt.
Über die gnadenlosen Bewegungs-Codes Bescheid zu wissen, steigert nicht gerade die Gelassenheit auf der Tanzfläche. Ich denke dann immer an das Gefühl, als stünde ich auf einem Zehn-Meter-Turm. Und lasse mich fallen. MATTHIAS LOHRE