MATTER PROTEST GEGEN GEPLANTEN ATOMBOMBENTEST IN NORDKOREA : Diktator Kim agiert im toten Winkel
Zu mehr als einem gemeinsamen Protest gegen Nordkoreas Ankündigung eines Atombombentests reicht es nicht. Zu stark laufen die Interessen auseinander. Die USA arbeiten zwar nicht gezielt auf einen Systemwechsel in Pjöngjang hin, würden aber auch nichts dagegen unternehmen. Südkorea tendiert bei der Frage, ob ein Kollaps des Regimes oder eine Atommacht Nordkorea das kleine Übel ist, zu Letzterem. Die Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel wird zwar zur patriotischen Vision verklärt, doch niemand möchte von Millionen hungriger und verzweifelter Nordkoreaner überrannt werden. Auch Peking graust es vor einem Flüchtlingsstrom, der nach einem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes unweigerlich die Mandschurei erreichen würde.
Die USA betonen zwar, alle Optionen seien auf dem Tisch – auch ein Militärschlag. Doch die Drohung hat beschränkte Wirkung. US-Militärs geben halb öffentlich zu bedenken, ein Angriff sei zu riskant. Zu gering ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Gefahr mit einem Bombardement aus der Welt geschaffen werden könnte, und zu groß das Risiko, dass Nordkorea mit chemischen oder biologischen Waffen zurückschlägt.
Nordkoreas Nachbarstaaten üben sich nach jeder Eskalationsstufe zwar in solidarischer Entrüstung. Doch daraus folgt nichts. China und Südkorea misstrauen der ehemaligen Besatzungsmacht Japan zutiefst. Dort erheben derzeit zwar nur wenige die Forderung, Japan müsse zu Selbstverteidigungszwecken Nuklearwaffen anschaffen. Sollte Nordkorea aber tatsächlich die Atombombe testen, wird die Position mehr Anhänger gewinnen. Eine neue Aufrüstungswelle in Ostasien wäre die Folge.
Einer geeinten Front wird sich Nordkoreas Diktator Kim Jong Il erst dann gegenübersehen, wenn er den Bogen überspannt. Das wäre der Fall, wenn er einen militärischen Erstschlag wagt, was unwahrscheinlich ist. Schon eher möglich ist ein Verkauf von Nukleartechnologie an terroristische Gruppierungen. Und auch mit einem Atombombentest, der chinesisches Gebiet verseucht, wäre die rote Linie überschritten. MARCO KAUFFMANN