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Archiv-Artikel

MARTIN REICHERT WURST IST MEIN GEMÜSE Serbische Hodenwürste?

Wenn Wurstkolumnisten reisen, kann es kompliziert werden. So verzehrte ich vor einigen Wochen eine unglaublich köstliche Wurst in Bukarest, deren Namen sich kein Mensch merken kann, der nicht Rumänisch spricht. Es handelte sich um eine dünne, halb getrocknete Bratwurst, die nach Knoblauch, Rauch und allerlei Gewürz duftete. Doch dank der Online-Präsenz der rumänischen Restaurantkette „la mama“ – Futtern wie bei Muttern auf dem Balkan – konnte der Name recherchiert werden: Semiuscati de Plescoi! Google-Translator lüftete nun, wenn auch etwas unbeholfen, ihr Geheimnis: „Semi-Trockenwürste Plecoi 100% natürlich, geräuchert, getrocknet, in Schaffellmatte verteilt. Enthält: Schaffleisch, Rindfleisch, Gewürze, Paprika, Cayennepfeffer.“

Schaffellmatte hin oder her, da war sie, die typisch rumänische Wurst. Oder doch nicht? Ein Anruf bei einem rumänischen Restaurant in Stuttgart führt nicht weiter: „Sprechen Sie Rumänisch?“, schallt es verzweifelt und mit starkem Akzent aus dem Hörer, „wir haben hier nur Mici.“ Die rumänische Cevapcici-Variante. Das sind solche Würste, die von der EU verboten werden sollten, weil sie Sodacarbonat enthalten. Soeben wurden sie „rehabilitiert“.

Erst der in Berlin lebende Schriftsteller William Totok, rumäniendeutscher Herkunft, kann weiterhelfen: „Eigentlich handelt es sich um eine serbische Wurst, die über den Banat, also den Westen Rumäniens, über das ganze Land verbreitet wurde. Landestypisch sind eher Mici.“

Richtiges Land, falsche Wurst? Nein, die halb getrockneten Würste sind in Rumänien beliebt, auch weil sie zur nationalen Vorliebe für Genitalwitze passen. Der zweite Teil des Wortes Plescoi, also Coi, meint im Rumänischen „Hoden“.

Abwechselnd besprechen wir hier Würste und bedienen uns aus der Gemüsekiste