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Archiv-Artikel

MARTIN REEH ZUR 3-PROZENT-HÜRDE BEI EUROPAWAHLEN Kurzfristige Kalküle

Den etablierten Parteien geht es darum, Piraten und AfD das Brüsseler Standbein zu verwehren

Als das Bundesverfassungsgericht 2012 das neue Bundestagswahlrecht kassierte, sparte die Opposition nicht mit harten Worten: Karlsruhe habe einen „Anschlag von Schwarz-Gelb auf das Wahlrecht und damit den Kern der Demokratie abgewehrt“, schrieben die Grünen damals. Ähnlich harte Worte zum neuen Europawahlrecht wird man vergeblich suchen: SPD und Grüne befürworten ebenso wie CDU und FDP eine 3-Prozent-Hürde.

Dabei sind beide Fälle ähnlich gelagert. Karlsruhe hatte 2008 das alte Bundestagswahlrecht wegen der Regelung bei Überhangmandaten, von der große Parteien profitierten, für unzulässig erklärt; Schwarz-Gelb ignorierte in seiner anschließenden Neuregelung die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, sodass Karlsruhe abermals einschritt.

2011 erklärten die Verfassungsrichter die 5-Prozent-Hürde bei Europawahlen für unzulässig: Es gebe „keine hinreichenden Gründe, die den mit der Sperrklausel verbundenen Eingriff in die Chancengleichheit der politischen Parteien rechtfertigen“, schrieben die Richter. Karlsruhe wird aller Voraussicht nach daher auch die 3-Prozent-Hürde kassieren, allerdings erst zur Europawahl 2019.

Die Missachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts folgt kurzfristigen Kalkülen: Ohne Sperrklausel hätten die Kleinparteien bei den Europawahlen 2009 acht Mandate erhalten, die etablierten acht weniger. Aber vor allem dürfte es den etablierten Parteien darum gehen, den Großen unter den Kleinparteien, Piraten und AfD, das Brüsseler Standbein zu verwehren und damit den Sprung auf die Bundesebene zu erschweren. Parteipolitisch ist das nachvollziehbar. Aber auf Klagen über Anschläge auf das Wahlrecht, die angeblich nur Schwarz-Gelb vollzieht, sollten die Grünen künftig verzichten.

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