: MANN VOR DEM SPIEGEL VONRROSESELAVY
Manchmal fängt sie der Spiegel ein und hält sie fest. Fasciniert stehen sie davor. Sie sind versunken, abgetrennt von der Wirklichkeit und allein mit ihrem lieben Laster, der Eitelkeit. Denn wie sie alle andern Laster bereitwillig ausbreiten vor Allen, so halten sie dieses eine geheim und verleugnen es selbst vor ihren besten Freunden.
Da stehen sie und starren die Landschaft an, die sie selber sind. Die Gebirge ihrer Nasen, die Schluchten und Falten, an die die Jahre sie schon so gewöhnten, daß sie nicht mehr wissen, wie sie entstanden sind, ihre Schultern, Hände und Haut und die mannigfachen Urwälder ihrer Haare. Sie sinnen, sie sind befriedigt, sie suchen sich selbst zusammen. Manches ist zu klein geraten, und es ist gut, daß es so klein ist, manches wiederum ist zu groß, und es ist herrlich, daß es so ist. Frauen haben sie gelehrt, daß es nicht auf die Masse ankommt. Frauen haben ihnen gesagt, was schön an ihnen sei, sie haben es vergessen, aber nun suchen sie sich selbst wie Mosaik zusammen aus dem, was Frauen an ihnen gefiel. Denn sie selbst wissen nicht, was schön an ihnen ist.
Nur die schönen Männer wissen um sich selbst Bescheid, aber die schönen Männer taugen nicht zur Liebe: Sie überlegen noch im letzten Augenblick, ob es ihnen auch steht. Zur Liebe taugen die großen Häßlichen, die ihre Gesichter mit Stolz vor sich hertragen wie eine Maske. Die großen Schweigsamen, die hinter ihrem Schweigen viel verbergen oder nichts.
Hände, schmale mit langen Fingern oder kurze, die zugreifen. Der Ansatz eines Nackens, der steil aufsteigt, um sich im Waldrand der Haare zu verlieren, die zärtliche Kurve der Haut hinter dem Ohr, die geheimnisvolle Muschel des Nabels, die flachen Kiesel der Kniescheibe, die Knöchel ihrer Fußgelenke, die eine Hand umspannt, um sie vom Sprung zurückzuhalten — und über der weiten und immer noch unbekannten Gegend Körper, viel älter als er, viel mehr getragen, allem Geschehen offen: Dies Gesicht, immer wieder dies Gesicht, das sie so gut kennen. Denn einen Körper besitzen sie nur des nachts und fast nur in den Armen einer Frau. Aber stets mit ihnen geht, immer gegenwärtig, ihr Gesicht.
Der Spiegel sieht sie an. Da nehmen sie sich zusammen. Sorgfältig, als bänden sie eine Kravatte, ordnen sie ihre Züge. Frech, ernst und ihrer Schönheit sich bewußt, so drehen sie sich um zur Welt.
ABERDIESCHÖNENMÄNNERTAUGENNICHTZURLIEBE
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