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■ LustprinzipDann kam SIE!

Sie kennen das bestimmt: Nach Tagen der Selbstausbeutung, wenn alle Leute einem bekunden, wie schlecht man doch aussieht (na danke!), überkommt einen beim Küche-Streichen schon mal das Bedürfnis, dem Lustprinzip nachzugeben. Die Voraufführung der „Mediocren“ im Kant-Kino z.B. klingt verlockend, vor allem das anschließende Konzert von „Even Cowgirls Get the Blues“. Mediocren-Schauspielerin Jasmin Tabatabai ist die Frontfrau und soll ziemlich Spitze sein. Country auf Girlie-Style – u-uuh!

Doch, da gibt es für den Abend schon einen Pflichttermin. Nach ein paar entscheidungssuchenden Pinselstrichen entschließe ich mich zum Telefonat mit der zuständigen Redakteurin, und nachdem sie ihrerseits ein paar gedankenschwere Strichlein und Kringel auf ihr Schmierpapier gekritzelt hat (wie ich schwer annehme) verdingsen wir den Termin auf nächste Woche, und ich sitze wenige Stunden später glücklich und zufrieden mit einem Eis am Stiel im Kino.

Wie ich den Film finde, soll ich hier nicht sagen, der Event um den Film rum war jedenfalls eher medioker. Keine Promis zum Gucken, kein Ansturm mit Haarereißen und Ellenbogenklemmen. Nischt. Langsam tröpfelten gelierte Gestalten ein, der Saal füllte sich sehr zögernd, der Schlußapplaus war schlapp – aber das lag daran, daß der Beleuchter den Spot noch während des Abspanns (!) auf den Regisseur richtete. Dem fiel dann natürlich auch nichts ein, außer daß Frau Fräulein Schneider nicht dabeisein kann, weil sie für ihren Mann in irgendeiner Bar arbeiten muß. Ausgerechnet! Eine Hauptdarstellerin!! Sie sehen, der Abend hätte gründlich schiefgehen können.

ABER: Dann kam SIE! Sie trug einen schwarzen BH, eine gelbe Satinbluse, vorn geknotet, einen großen Schnallengürtel auf schwarzen Satinhosen und Boots sowie einen flachen Cowgirl- Hut, auch in Schwarz. Ihr Revolver knallt, der Hüftschwung ist tödlich, die Stimme verschärft: dunkel verraucht bis luftig rauchzart! O-ooh! Da sieht man die Männer mit offenen Mündern dastehen, und die Frauen strahlen. Ein Bild für die Göttinnen! Mal Girl, mal Kerl (ohne Witz) stimmte sie ihr Kampfgeheul an: Yiihi. Und Yeah, ein Bravissimo für eine charmante Machissima! Jasmin Tabatabai – „Baby, she's got it“, sie stellt die Mädels um sich rum lässig in den Schatten, das einzige Y in der sechsfachen XX-Chromosomenriege steht sowieso bescheiden im Abseits. So cool wie bei ihr war noch kein „Cooking“-Song zu hören, das garantiere ich. Schade, daß die Cowgirls nicht noch mehr solcher selbstgeschriebener Hits auf Lager haben. Dennoch: Die „Walking Boots“ oder das unvermeidliche „Ring of Fire“ waren so dermaßen frech und dreckig interpretiert, daß das Herz im Busen hüpfte. So streicht's sich jetzt bestimmt viel leichter. Petra Brändle

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