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Archiv-Artikel

Luftsicherheit Fall für Karlsruhe

Bayern hat Verfassungsklage gegen das Gesetz angekündigt. Regierung will dennoch notfalls Flugzeuge zur Terrorabwehr abschießen, bis das Urteil vorliegt

BERLIN dpa/afp ■ Trotz der angekündigten Verfassungsklage will Verteidigungsminister Peter Struck im Notfall das Luftsicherheitsgesetz anwenden. Es werde mindestens bis zu einem Karlsruher Urteil unverändert gelten, sagte der SPD-Minister gestern. Bis dahin würde er notfalls auch den Abschuss eines von Terroristen als Waffe benutzten Passagierflugzeugs befehlen. Nach der Empfehlung des Bundespräsidenten hatte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) Verfassungsklage gegen das Gesetz angekündigt.

Dem Normenkontrollverfahren werden sich vermutlich andere unionsgeführte Länder anschließen. „Ich gehe davon aus, dass insgesamt die Unions-regierten Länder Klage einreichen werden“, sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann gestern vor einer Konferenz der Unions-Innenminister in Kiel. Beckstein sagte, das Luftsicherheitsgesetz sei zwar notwendig, es brauche aber eine eindeutige Rechtsgrundlage. „Und das geht nur mit einer Grundgesetzänderung.“ Das habe Rot-Grün versäumt.

In Bezug auf den Einsatz der Bundeswehr im Inland hatte sich der promovierte Jurist Struck voriges Jahr für eine Grundgesetzänderung stark gemacht, konnte sich aber nicht durchsetzen. Er wies die Bedenken der Union zurück, das Gesetz berge rechtliche Unsicherheiten für Bundeswehrpiloten in sich. Ein eventueller Flugzeugabschuss sei strafrechtlich nicht relevant, wenn es sich um einen Befehl des Verteidigungsministers handle. Falls Karlsruhe die Bedenken des Bundespräsidenten teile, müsse sich der Bundestag mit dem Gesetz neu befassen.

Bundespräsident Horst Köhler hatte Mittwoch das Gesetz unterzeichnet, zugleich aber erhebliche Bedenken geäußert und eine verfassungsrechtliche Klärung angeregt. Er ist der Ansicht, dass es in der Verfassung derzeit keine ausreichende Ermächtigung für die Bundeswehr gibt, entführte Passagiermaschinen abzuschießen, wenn von ihnen eine terroristische Bedrohung ausgeht. Zudem zweifelte er das Recht des Staates an, Leben Unschuldiger für das Leben anderer zu opfern. Bundesinnenminister Otto Schily hält die Bedenken für unberechtigt.

Mit Verkündung im Bundesgesetzblatt binnen 14 Tagen tritt das Gesetz in Kraft. Bis zu einem Karlsruher Urteil kann es erfahrungsgemäß Jahre dauern. Zwar könnten die Kläger im Eilverfahren eine einstweilige Anordnung erwirken. Die Begründung der Eilbedürftigkeit schätzen Experten aber als schwierig ein.

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