■ Loopback: Der Experte muß es ja wissen
Zwischen dem, was das Internet tatsächlich ist, und dem, was die Medien daraus machen, besteht ein gewaltiger Unterschied. Und den vermögen nur die wahren Experten zu erkennen und einzuschätzen. Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendein Experte um sein Statement gebeten wird.
Besonders die erste Reihe scheint eine Vorliebe für Experten zu haben, Sabine Christiansen ebenso wie Nina Ruge. Egal was passiert, ob der Düsseldorfer Flughafen abfackelt oder in Hamburg eine Bratwurst platzt, sofort ist ein Experte mit einem passenden Statement zur Stelle. Die müssen eine Expertendatenbank haben, und ich habe mir schon überlegt, wie ich mich da hineinschmuggeln kann – vielleicht werde ich ja herumgereicht und kann mir endlich die alte Villa kaufen.
Neulich ist es tatsächlich passiert: Eines Nachmittags rief die Redaktionsassistentin eines Fernsehsenders an (sagen wir, dritte Reihe), und bat mich, als Experte an einer Diskussionsrunde zum Internet teilzunehmen. Auf die Frage, wie sie denn auf die Idee komme, daß ausgerechnet ich ein Experte sei, schließlich klicke ich doch wie alle nur dumm herum, antwortete sie, daß ich doch jemand sei, der eine Meinung habe und diese auch kundtue.
Eine Meinung hat doch jeder, denke ich mir, aber das macht noch niemanden zum Experten. Wenn Rudi Völler am Bundesligasamstag den Ball versiebt, gibt es Millionen von Experten, die das besser gemacht hätten. Aber zu dieser Art Experte gehöre ich nicht. Vorsichtshalber behalte ich das für mich und frage, wer sonst noch kommt. Einen Programmierer hat sie eingeladen, einen jungen Hacker vom Chaos Club und eine begeisterte Surferin. Prima, nun fehlt ja nur noch der Neonazi mit extrem päderastischen Neigungen, dann haben sie einen repräsentativen Querschnitt durch das Internet-Klischee.
Sie macht mir klar, daß sie mich nicht als Vertreter einer Internet- Minderheit engagieren will, sondern als Experte, der die Dinge ins rechte Licht rückt. Das aber ist völlig unmöglich. Kein Mensch hat einen Überblick darüber, was überhaupt los ist und wie das alles funktioniert. Experten kann es nur in eng umgrenzten Teilbereichen geben, etwa in der Technik oder bei der Gestaltung von Websites. Alles andere ist illusorisch, das Internet mit seinen vielschichtigen Inhalten ist schneller gewachsen, als es ein einzelnes Gehirn aufnehmen kann. Aber genau das ist ja das Spannende daran, und vielleicht macht mich schon allein diese Erkenntnis zum Experten. Für ein 30-Sekunden- Statement reicht es allemal.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen