■ Loopback: Nichts als Vorsätze
Gute Vorsätze zum neuen Jahr taugen nichts. Spätestens nach einer Woche sind sie vergessen. Schon für 1996 hatte ich mir vorgenommen, endlich mit dem Klicken aufzuhören, um mehr Zeit für die erfreulicheren Dinge zu haben. Daraus wurde nichts, und das ist auch ganz gut so.
Für 1997 habe ich deshalb keine besonderen Vorsätze gefaßt. Und auch das Rauchen werde ich nicht aufgeben. Natürlich werde ich weiter an meiner ersten Million basteln, aber dazu fällt mir immer nur Bert Brecht ein, der für die Dreigroschenoper folgenden schönen Vers schrieb: „Ja, mach nur einen Plan / Sei nur ein großes Licht! / Und mach dann noch 'nen zweiten Plan / Gehen tun sie beide nicht.“
Pläne gibt es in der Tat genug, vor allem im Internet, zum Internet und um das Internet herum. Und funktionieren tun sie auch nicht, meistens jedenfalls. So hat zum Beispiel CompuServe den Plan, ein besonders familienfreundliches Zusatzangebot namens WOW! zu etablieren, aus finanziellen Gründen wieder aufgegeben. So ist das eben mit den guten Vorsätzen. Dafür gibt's in den Ballungszentren schnelle X.75-ISDN-Knoten, Zugang zum Ortstarif von überall (langsamer, weil über die Telekom vermittelt) – und zum Jahreswechsel eine neue Software, die den Internet-Browser gleich eingebaut hat.
Aber Software-Updates gibt es auch von AOL und, ich glaub's fast nicht, von der Telekom! Den T-Online-Dienst haben sie jetzt in eine „Online Pro Dienste GmbH & Co. KG“ ausgelagert. Das „Pro“ im Namen ist sicher wieder nur ein guter Vorsatz zum neuen Jahr und zur Firmengründung. Das ernsthafte Bemühen um Besserung nehme ich ihnen erst ab, wenn der Kundenservice funktioniert und die Internetverbindungen genauso flott sind wie anderswo. Und überhaupt: Abgesehen von Leuten, die auf dem flachen Land wohnen und für die das Surfen über einen richtigen Provider dank der saftigen Telekom-Preiserhöhung vor exakt einem Jahr sehr teuer werden kann, ist doch nur das Homebanking am T-Online-Angebot interessant. Aber das soll ja nun – und auch das gehört zu den Dingen, die sich in diesem Jahr (vielleicht) ändern werden – in großem Rahmen auch über das Internet möglich werden. Wenn da bloß diese verflixten Probleme mit der Sicherheit nicht wären...
Aber was ist das Leben ohne Risiko? Langweilig! Interessant für Dauersurfer sind vielleicht auch die Rabatte, die die Telekom ab sofort auch Privatkunden einräumen will. Leider ist dieser Plan etwas undurchsichtig geraten, so daß man den Vorsatz fassen muß, in diesem Jahr einen T-Punkt-Laden aufzusuchen. Da gibt es das „City Weekend“, an dem für fünf Mark zum Nachttarif telefoniert und gesurft werden kann. Oder „City Plus“ für 24 Mark. Dafür bekommt man 400 Einheiten gutgeschrieben, die an fünf vorher festgelegte Rufnummern im Citybereich vertelefoniert werden können.
Sinnentleerte Worthülsen wie „Plus“ und „Pro“ gehören in der EDV- und Kommunikationsbranche zur hohen Kunst des Aufblähens. Man darf dem keine Bedeutung beimessen. Ich werfe deshalb den Vorsatz, keine Vorsätze zu fassen, über Bord und beschließe, ein bißchen Plus vom Körpergewicht abzutrainieren. Nach den feiertäglichen Freßorgien ist das im Moment das einzige, was wirklich Sinn macht.
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