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Lokalkoloratur

„Sizilien hat mich von vielem befreit. Ich habe das erste Mal wieder Ja sagen können zu mir, vielleicht das erste Mal in meinem Leben.“ Über ihre Zeit der „Befreiung und Selbstfindung“ in den vergangenen drei Jahre in Sizilien hat Marianne Bachmeier jetzt ihr erstes Buch veröffentlicht. „Palermo – Amore mio“ stellte sie jüngst in Hamburg vor.

Als die ehemalige Lübecker Gastwirtin am 6. März 1981 den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter, den Schlachter Klaus Grabowski, im Schwurgerichtssaal erschoß, spaltete ihre Tat die Öffentlichkeit in zwei Lager. Dem Verständnis für die Frau, deren siebenjährige Tochter Anna am 5. Mai 1980 ermordet worden war, stand die Verurteilung der Selbstjustiz gegenüber. Die Tat der „Mutter Bachmeier“, die einen der aufsehenerregendsten Prozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte zur Folge hatte, wurde in den Medien breit geschildert und mehrfach verfilmt. Wegen Totschlags und unerlaubten Waffenbesitzes wurde Marianne Bachmeier im März 1983 zu sechs Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Eineinhalb Jahre verbrachte sie wegen Suizidgefahr in der geschlossenen Abteilung eines Krankenhauses und wurde im Juni 1985 vorzeitig entlassen.

Von ihrem Mann mittlerweile geschieden, hat sie ein neues Leben in Sizilien begonnen. So befreit redet sie 1994: „Erst als mich keiner mehr kannte und sagen konnte: So ist sie – da konnte ich endlich sagen: So bin ich.“ Der feingliedrigen Frau mit dem dunkelbraunen Haar und den blauen Augen ist noch immer ihre große Verletzlichkeit anzumerken. „Jahrelang zelebrierte ich den Tag, an dem ich Grabowski tötete“, erzählt sie. Mit Angst und ständiger Rummäkelei an ihrer Person sei sie großgeworden zu sein. Heute sagt sie über ihre Tat: „Sie ist ja geschehen. Und wen sollte ich um Verzeihung bitten? Grabowskis Mutter, die selber sagte, sie könne mich verstehen?“ Ihr Buch hat Marianne Bachmeier, die überzeugt ist, „daß es nicht das erste Mal ist, daß ich lebe“, ihren Anwälten gewidmet.

(„Palermo - Amore mio“ ist im Franz Schneekluth Verlag erschienen)

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