Löwen-Manager über Handball-Reform: „Die gehen kaputt“
Handball-Manager Storm von den Mannheimer Löwen fordert eine Reform: Die WM soll im Sommer stattfinden, die Topspieler müssten entlastet werden.
taz: Herr Storm, am Rande der Handball-WM in Spanien ist eine Strukturdebatte über den Handball in Deutschland losgebrochen. Finden Sie auch, dass reformiert werden muss?
Thorsten Storm: Geht es um die Weiterentwicklung des Handballs, sind wir alle gefordert, und es ist zum jetzigen Zeitpunkt entscheidend, dass wir alle zusammen für unseren Sport arbeiten. Dazu gehört auch, dass man sich mit den Problemen und der ständigen Weiterentwicklung auseinandersetzt.
Nun ist das deutsche Team aber bis ins Viertelfinale vorgestoßen. Heißt das, dass all die während der WM geführten Debatten über notwendige Strukturänderungen verfrüht geführt wurden?
Der 48-Jährige ist Geschäftsführer bei den Rhein-Neckar Löwen aus Mannheim. Zuvor war der gelernte Werbekaufmann beim THW Kiel und der SG Flensburg-Handewitt tätig. Die Löwen führen derzeit die Tabelle der Handball-Bundesliga an. In seiner aktiven Zeit spielte Storm auf der Position des Rechtsaußen. Er beendete 1990 seine Karriere beim THW Kiel.
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Nur weil eine Mannschaft gut spielt, muss drum herum nicht alles optimal sein. Wir müssen zwingend einiges optimieren, damit wir weiterkommen. Überflüssig waren allerdings die Trainerdiskussionen, und es freut mich für Martin Heuberger, mit dem auch wir sehr gut zusammenarbeiten.
Woran krankt es im deutschen Handball?
Es krankt nicht speziell im deutschen Handball. Sondern das Problem ist der Handball insgesamt. Außer in Deutschland, Frankreich oder Dänemark gibt es fast keinen Vereinswettbewerb mehr auf Spitzenniveau. Selbst in Spanien löst sich die Liga gerade auf. Dadurch spielen die meisten Topspieler eben auch in Deutschland – und das wiederum macht es den deutschen Talenten schwer, Fuß zu fassen. Es ist sicher schwerer, einen Stammplatz beim THW Kiel zu ergattern, als in der deutschen Nationalmannschaft.
Heiß diskutiert wird auch die Überbelastung der Topspieler. Wie schlimm ist es wirklich?
Nehmen Sie ein WM- oder EM-Viertelfinale, das Final Four der Champions League oder die DHB-Pokal-Endrunde: Es sind fast immer die gleichen 130 Spieler, auf deren Schultern sich der Welthandball abspielt. Die gehen kaputt. Und um das zu verhindern, müssen wir überflüssigen Ballast abwerfen. Eine WM oder EM und Olympische Spiele sind für unseren Sport wichtig. Medien und Zuschaueraufkommen bringen uns weit nach vorne. Aber die Vereine zahlen die Spieler das ganze Jahr und brauchen Luft zum Leben. Gehälter und Spielbetrieb sind nicht refundierbar. Das System ist gekippt.
Was muss sich ändern?
Wir müssen den Terminplan verändern. Im Olympiajahr sollte keine WM oder EM stattfinden, aber ansonsten tut uns das jährliche internationale Großereignis gut. Allerdings muss die WM oder EM in den Sommer gelegt werden. Die Vereinswettbewerbe wiederum brauchen eine Entzerrung und einen einheitlichen Spielplan, damit der Kunde weiß, wann sein Klub spielt, und die Tabelle übersichtlich wird. Nur dann kommen große TV-Anstalten und Sponsoren, die für bessere Einnahmen sorgen. Zudem muss die Champions League abgespeckt werden und unter der Woche spielen. Die Bundesliga gehört ins Wochenende. Und wenn wir den anderen europäischen Ligen auf die Beine helfen wollen, benötigen wir wohl auch eine freiwillige Ausländerbegrenzung in der Bundesliga.
Nun ist das Problem der Terminhatz und die sich daraus ergebende Überbelastung der Topspieler nichts Neues. Warum ist es so schwer, eine vernünftige Lösung zu finden?
Weil naturgemäß zunächst jeder seine eigenen Ziele verfolgt und die Kräfteverhältnisse klar verteilt sind. Die Arbeitgeber, also die Klubs, zahlen zwar alle Spieler, aber sie haben keine Rechte zur internationalen Mitgestaltung. Das verhärtet die Fronten.
Wie könnte eine vernünftige Lösung denn aussehen?
Jeder muss ein bisschen abgeben. Der Weltverband, der europäische Verband, der DHB, die Bundesliga, die Spielerberater. Wir brauchen Hilfe für die Nationalmannschaften, und wir brauchen in unserer Situation auch den jährlichen internationalen Wettbewerb. Aber wir müssen den Terminplan entzerren. Vielleicht reformiert man auch den DHB-Pokal und lässt hier die Erstligaklubs weg und macht aus dem Final Four einen Liga-Cup in Hamburg mit den ersten sieben Mannschaften der Bundesliga und dem Gewinner des DHB-Pokals, der dann ja nicht aus der Bundesliga kommen kann. Auch das schafft Platz im Kalender und Mehrwerte. So muss man anfangen, alle Dinge zu modifizieren.
Warum wollen Sie EM und WM in den Sommer legen?
Derzeit ist es so, dass der Handballfan im warmen August zu einem Bundesligaspiel in die Halle kommen soll, und im Winter, wenn alle Zeit haben, pausieren wir. Das ist wirtschaftlicher Wahnsinn für die Klubs, die das Personal bezahlen. Hinzu kommt, dass die Vereinstrainer, die das ganze Jahr für den Erfolg arbeiten, nicht wissen, welche Spieler sie in der Rückrunde unverletzt wiederbekommen. Deshalb ist der Sommer der richtige Zeitpunkt für EM und WM. Zudem garantiert er den Akteuren auch eine bessere Regeneration.
Findet denn eine Handball-WM im Sommer das Interesse der Öffentlichkeit?
Ja. Eine WM ist auch im Sommer ein TV-Highlight. Außerdem steht für mich fest: Bleibt es wie bisher, haben wir bald keine Spieler und WM mehr auf diesem sportlichen Niveau, weil die Klubs nicht mehr können und die Protagonisten platt sind.
Sie haben Liga und DHB aufgefordert, die Kräfte zu bündeln. Wie könnte das aussehen? Was schwebt Ihnen da vor?
Deutschland ist der zentrale Markt für unseren Sport. Der größte Verband, die größte Tradition, die beste Liga. Die größten Werbebudgets. Alle wollen in die Bundesliga. Die Nationalmannschaft der Männer ist hierbei das große Zugpferd. Termine, Nachwuchsförderung und Marketing sowie Sponsoring müssen zwingend gemeinsam gesteuert werden. Dann geht’s voran. Ansonsten wird viel Potenzial verschenkt und wir sind selbst schuld daran – nicht der Fußball oder andere.
Diskutiert wird derzeit ein DHB-Schattenkabinett mit Heiner Brand als neuem DHB-Präsidenten, Bob Hanning als einem seiner Vize sowie Stefan Kretzschmar auf dem noch zu schaffenden Posten des Teammanagers.
Das sind alles Personen, die dem Handball helfen können. Aber es geht nur zusammen. Heiner Brand ist der einzige A-Promi, den der Handball hat. Er kämpft für den Handball und die Nationalmannschaft, die wir erfolgreich, sympathisch und mit regelmäßiger Präsenz in der deutschen Öffentlichkeit brauchen. Bob Hanning kann ein Bindeglied sein, der beide Seiten – DHB und Liga – sehr gut kennt. Er ist ein Macher und 24-Stunden-Arbeiter. Mit ihm zusammen geht Vermarktung und Struktur einfacher. Stefan Kretzschmar wiederum ist gut in den neuen Medien unterwegs.
Im Fußball weiß niemand so recht, was der Teammanager, also Oliver Bierhoff, so macht. Was könnte er im Handball tun?
Ich kann nicht beurteilen, was Oliver Bierhoff im Fußball macht. Aber es geht im Handball zunächst um die Optimierung von Medien- und Öffentlichkeitspräsenz. Das muss zwischen HBL und DHB gemeinsam abgestimmt und dann terminlich gut strukturiert werden – und zwar über das ganze Kalenderjahr.
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