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„Löwen-Frisur auf eigenen Wunsch beendet“

■ Dagmar Berghoff, Chefsprecherin der Tagesschau, über Haar-Regeln im Fernsehen

taz: Welche Frisur haben Sie als Mädchen getragen?

Dagmar Berghoff: Glatt und kurz. Ich habe einigermaßen viele Haare, aber dünne. Deshalb war es das beste, immer kurze Haare zu tragen. Mein Wunsch und mein Traum war als Kind, Zöpfe zu tragen. Ich habe die Haare dann auch mal wachsen lassen, und wenn ich den Kopf dann etwas seitlich neigte, dann waren es Zöpfe, die fast bis zur Taille gingen. Aber das Haar fiel mir damals aus, da war ich ungefähr zehn Jahre alt, dann mußte es wieder kurz geschnitten werden.

Warum sind fast alle Sprecherinnen beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen blond?

Das ist eine Frage, die uns ganz oft gestellt wird und die keiner von uns beantworten kann. Wir haben nur im „Wochenspiegel“ eine dunkelhaarige Kollegin, die Sabine Noll, aber die verläßt uns jetzt. Wir wissen es wirklich nicht, wir können es nicht erklären. Das ist nicht nur bei ARD aktuell so. Wenn Sie quer durchs Fernsehen gucken, ist es ganz häufig so. Beim ZDF gibt es zwar Frau Basgen, aber sie ist, glaube ich, die einzige dunkelhaarige Sprecherin.

Wirken blonde und dunkelhaarige Frauen anders?

Aufs Fernsehen bezogen letztendlich nicht. Es kommt auf die Qualität einer Sprecherin oder einer Moderatorin an. Ich weiß nur, daß es psychologische Untersuchungen gibt, wonach die Dunklen, besonders auf Männer anscheinend, etwas bedrohlicher wirken als blonde Frauen, die immer so als Lichtgestalten dargestellt werden.

Stellen Männer oder Frauen die Sprecherinnen ein?

Bei uns hier in der Tagesschau- Redaktion waren es bisher Männer, zuerst Herr Köpcke und dann Herr Veigel in Absprache mit der Chefredaktion. Jetzt bin ich das, aber ich habe bisher nur einen Off- Sprecher engagiert. Jetzt ist es also eine Frau, die das bestimmt.

Darf ein Sprecher einen Bart tragen?

Ja, unbedingt. Es gibt bei uns keinen, aber es wäre kein Problem. Herr Köpcke ist einmal in seiner Zeit als Nachrichtensprecher nach einem Urlaub mit einem Oberlippenbart angekommen. Daraufhin gab es wütende Proteste der Zuschauerinnen. Aber wenn einer käme, der von vornherein einen Bart hat und ein guter Sprecher ist – das ist das Wichtigste –, dann würde er auch in das Team aufgenommen.

Gibt es Frisur-Regeln bei ARD aktuell?

Eine meiner Kolleginnen, nämlich unsere Jüngste, Susan Stahnke, für die gibt es eine gewisse Regel. Susan hat wunderbares Haar, dick und ganz lang, fast bis zur Taille, blond, eine riesige Hollywood-Mähne. Aber diese Haarfülle – das ist dann keine Nachrichtensprecherin, das ist ein Filmstar. Und das paßt nicht zu diesem Job. Als Nachrichtensprecherin muß man ja hinter der Nachricht zurückstehen. Susans Haar ist so auffällig, daß es fast den Bildschirm sprengt. Sie nimmt – das war damals noch ein Wunsch von Herrn Veigel – die Haare ein bißchen nach hinten zurück. Sonst gibt es keine generelle Regel für Haare bei uns.

Haben Sie schon einmal jemandem gesagt: „So geht das nicht!“?

Ach, unser Kollege Jens Riewa hatte mal so eine Idee. Kurz bevor er die erste „20 Uhr“ sprach, hatte er Lust, seine Haare ganz, ganz, ganz kurz zu schneiden. Das hat er gemacht, und das war einfach nicht telegen, das stand ihm nicht. Er braucht eine gewisse Länge. Das paßt zu seinem Gesicht besser. Und da hab' ich ihm schon gesagt: Bitte, nicht mehr abschneiden, nur noch wachsen lassen!

Das dauert aber eine Zeit.

Ja, aber unsere Maskenbildnerei hat das ganz gut hingekriegt.

Wo lassen Sie sich frisieren?

Ich mache das auch hier bei uns in der Maske. Weil unsere Maskenbildnerinnnen sehr vorsichtig mit dem Schneiden sind, da wird immer so halbezentimeterweise abgeschnitten und nicht mehr. Bei Friseuren ist es meistens so, daß sie sehr verliebt ins Schneiden sind. Und dann kommt man wieder raus, sah eigentlich da noch so ganz gut aus, aber wenn man es dann das erste Mal wieder selbst frisiert, bricht man manchmal zusammen.

Warum sind die öffentlich- rechtlichen Fernseh-Frisuren so konventionell?

Bei den jungen Moderatoren und Moderatorinnen wäre das eine Frage des Mutes, den sie anscheinend nicht haben. Bei uns geht das einfach nicht, wir können diese modischen Erscheinungen nicht mitmachen, genauso wie bei der Kleidung. Wenn Paris zeigt, daß oben ohne getragen wird, dann geht das bei uns nicht in der Tagesschau.

Reagiert Ihr Publikum auf Ihre Haare?

Ja, zu den Haaren, das hatte ich mal, als ich mir vor vielen Jahren eine Löwenkopf-Frisur gemacht habe. Ich habe diese Haare mit einer Dauerwelle zu unendlichen Locken gedreht. Da kam schon einiges an Zuschauerbriefen, böse, aber auch witzige. „Nehmen Sie endlich diese schreckliche Perücke ab, mein Hirtenhund liegt immer vor dem Fernseher und bellt Sie an.“ Oder: „Sie sehen ja aus wie frisch ertrunken.“ Diese Frisur habe ich dann nach drei Monaten auf eigenen Wunsch wieder beendet, weil sie unpraktisch war. Interview: Nea Matzen

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