piwik no script img

Lobbyisten in BrüsselKartierung der Mächtigen

Wo immer in Brüssel politische Entscheidungen getroffen werden, sind Lobbyisten nicht weit. Der Stadführer „LobbyPlanet“ bietet einen Überblick.

Geschätzt schwirren zwischen 15.000 und 30.000 Lobbyisten durch Brüssel. Bild: Pie:foto/photocase.com

BRÜSSEL dpa | Einst gab die Eingangshalle zum Parlament den Lobbyisten ihren Namen. Heute antechambrieren Interessen-vertreter nicht mehr in Vorräumen: Die neuen Lobbys sind Cafés, Restaurants oder die Büros der Politiker.

Brüssel ist mit geschätzten 15.000 bis 30.000 Lobbyisten eine Hauptstadt all jener, die Einfluss suchen. Und für viele Europapolitiker ist der Kontakt zu Vertretern aus Wirtschaft, Nicht-Regierungs-Organisationen und Regionen eine wichtige Verbindung nach außen. Die Grenzen zwischen Erlaubtem und Fragwürdigem sind fließend.

Nun hat die gemeinnützige Initiative „LobbyControl“ einen aktuellen Stadtführer über den Lobbyismus im Brüsseler Europa-Viertel herausgebracht. Nach Plätzen und Themen geordnet, werden im „LobbyPlanet“ die wichtigsten Interessenvertreter vorgestellt, von Autokonzernen über soziale Netzwerke bis zu nationalen Banken.

Die Karte ist wenig überraschend: Die Lobbyisten gruppieren sich direkt um die EU-Kommission und das Europa-Parlament herum. Seit Juni 2008 gibt es in Brüssel ein freiwilliges Transparenz- Register, in das sich Unternehmen und Organisationen mit ihrer Lobbyarbeit einschreiben sollen.

Verpflichtende Eintragung

Im Europaparlament war gefordert worden, die Eintragung müsse verpflichtend sein. Lobbyisten hätten das allerdings verhindert, sagt Nina Katzemich von „LobbyControl“. „Hier fehlt es an Kontrollen durch das zuständige Sekretariat von Kommission und Parlament“, beklagt sie. „Da werden teilweise eindeutig falsche Angaben gemacht.“

Der Stadtführer beschreibt auch die Arbeitsweise der Lobbyisten. Erstes Ziel sei die EU-Kommission, weil dort Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen ausformuliert werden. Und seit dem Vertrag von Lissabon, der dem Europa-Parlament 2009 deutlich mehr Einfluss einräumte, seien auch Abgeordnete und deren Mitarbeiter zunehmend von Interesse.

Enger Kontakt sei leichter zu halten als etwa in Berlin, sagt Katzemich: „Politiker in Brüssel stehen weniger unter Beobachtung.“ Der „LobbyPlanet“ verweist auch auf sogenannte Denkfabriken („Think-Tanks“) und auf Agenturen.

Die Denkfabriken könnten mit Studien Meinungen beeinflussen, meint „LobbyControl“-Mitarbeiter Timo Lange. Einige träten neutral auf, "obwohl sie von der Industrie finanziert werden." Und manche Agenturen hält „LobbyControl“ für gefährlich: Die Akteure seien nicht sofort sichtbar.

Die Mittel der Agenturen

Ein beliebtes Mittel dieser Agenturen sei zudem, für ihre Kunden eine Bewegung „von unten“ zu simulieren, etwa Demonstrationen oder Unterschriftenaktionen. „Lobbyarbeit ist aber nicht grundsätzlich falsch“, betont Lange. Dennoch überwiegt im „LobbyPlanet“ eine kritische Haltung gegenüber den Interessenvertretern.

Im Frühjahr 2011 erklärten sich mehrere Europaabgeordnete bereit, gegen Geldzahlungen bestimmte Änderungsanträge in Gesetzesberatungen zu stellen. Als sich herausstellte, dass das Angebot angeblicher Lobbyisten von einer britischen Zeitung nur fingiert war, legten ein österreichischer Christdemokrat und ein slowenischer Sozialdemokrat ihre Mandate nieder.

Ein rumänischer Sozialist hingegen amtiert immer noch als Volksvertreter. Die Ermittlungen gegen ihn laufen – der Mann findet es aber weder schlimm noch ehrenrührig, dass er die Hand aufgehalten hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • F
    Fritsch

    @ neubau:

     

    du hast ja so Recht! Das sollte man wirklich tun. Ich fürchte nur die Antworten würden immer wieder auf dasselbe hinaus laufen...

     

    Geld, Karriere, Wohlstand... und scheen individuell zurechtgeschneiderte "Moral-" Rechtfertigungen.

     

    Eher ändert man schließlich sein Handeln, als die persönliche Rechtfertigung dessen.

  • N
    neubau

    Ich hätte gerne eine Liste mit diesen 30.000 Lobbyisten. Jedem einzelnen sollte ein Besuch abgestattet werden, jeden einzelnen sollte man befragen, warum er sich für dieses hässliche, undemokratische System hergibt.

    Man soll ihnen keine Gewalt antun - damit ich nicht falsch verstanden werde - sondern sie immer wieder fragen, was sie sich dabei eigentlich denken.