MIT DER PRIVATPLEITE AUF DU UND DU: Lloyd's in tiefroten Zahlen
■ Mitglieder haften mit ihrem Privatvermögen
London (dpa/taz) — Noch bis vor kurzem konnten Mitglieder der traditionsreichen Londoner Versicherungsbörse Lloyd's ansehnliche Gewinne auf ihr Kapital verbuchen. Auch wenn in einem Jahr zahlreiche Flugzeuge abstürzten und eine große Zahl von Schiffen sank, so konnte der Schaden aus den Reserven bezahlt werden. Für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr wird nun aber ein Verlust von 150 Millionen Pfund (445 Mio DM) und für das darauffolgende von rund einer Milliarde Pfund erwartet. Mehreren tausend Mitgliedern droht der Bankrott.
Noch bis in die 50er Jahre hinein war Lloyd's ein exklusiver Club sehr reicher Männer gewesen. Seitdem hat die Versicherungsbörse ihre Mitgliedschaft immer weiter ausgedehnt, bis sie 1988 über 32.000 Namen erreichte. Viele von ihnen sind durchaus keine Superreichen. Erforderlich ist nur, daß sie über einen Mindesteinsatz von 250.000 Pfund verfügen. Bei etwaigen Großverlusten haften sie aber mit ihrem gesamten weiteren persönlichen Vermögen, „bis zum letzten Manschettenknopf“, wie man bei Lloyd's zu sagen pflegt. Viele dieser Mittelreichen versuchen nun, gerichtlich gegen die Lloyd's-Organisation vorzugehen, weil sie meinen, daß sie nicht ausreichend vor den möglichen Risiken gewarnt worden seien.
Hauptursache für die Krise sind Versicherungspolicen aus den 40er, 50er und 60er Jahren über Gesundheits- und Umweltrisiken besonders in den USA, deren volle Auswirkungen zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse nur schwer zu überblicken waren. In den vergangenen Jahren haben amerikanische Richter den Geschädigten enorme Schadensersatzzahlungen zugesprochen. Die Mitglieder der Versicherungsbörse machen nun Lloyd's-Agenten für ihr Finanzdebakel verantwortlich. Im November wollen 880 Mitglieder klagen, die riesige Verluste wegen Schadensersatzzahlungen an Asbestose-Opfer hinnehmen müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen