Live-Gespräch mit Wladimir Putin: Chat mit Mr. President
Der russische Regierungschef tritt zum neunten Mal live im Fernsehen auf, um die Fragen seiner Bürger zu hören. Eindeutige Antworten gibt er darauf allerdings nicht.
MOSKAU taz | Wladimir Putin sucht den direkten Draht zum Volk. Einmal pro Jahr stellt sich der russische Premier den Fragen der Bürger live im Fernsehen. "Gespräch mit Wladimir Putin. Fortsetzung" heißt die Veranstaltung. Es ist die neunte ihrer Art und der Premier gab zu verstehen, dass noch einige Folgen zu erwarten sind. Minutiös casteten hunderte Mitarbeiter Fragen und Fragesteller im Vorfeld. Das Volk wirkt mit als stummer Statist oder versehen mit einer kleinen Sprechrolle.
Ob der Haushalt eines Krankenhauses in Iwanowo oder die Schließung einer Bahnstation in einem abgelegenen Dorf Sibiriens, auch diesmal bewies der Premier, dass er als "lider" der Nation jeden Winkel im Auge behält und für jedes Problem eine Lösung hat.
Die Regie ist inzwischen so ausgefuchst, dass sie die Kritik an dem gestellten Dialog vorwegnimmt. "Sicher ist es Ihnen lieber, wenn sich Babuschkas für Ihre Hilfe bedanken. Ich würde gerne wissen: Ist es nicht an der Zeit, das Verhältnis zum einsitzenden Chodorkowski zu überdenken?", fragte eine Dame aus Irkutsk. Die Urteilsverkündung in einem zweiten Prozess gegen den Ex-Ölmilliardär war am Mittwoch auf Ende des Monats verschoben worden.
Die Antwort nutzte der Premier, um dem Richter eine Anweisung zu geben. "Ein Dieb hat im Gefängnis zu sitzen", sagte Putin. Das Gericht habe den schweren Diebstahl nachge- und Chodorkowskis Schuld bewiesen. Putin griff damit der Urteilsverkündung vor und setzte sich über die Unschuldsvermutung hinweg.
Der Premier wiederholte auch Anschuldigungen, dass der Ex-Yukos-Chef in Morde verwickelt sei. Yukos früherer Sicherheitschef war vor längerer Zeit wegen einiger Morde verurteilt worden. "Sollte der Sicherheitschef diese Verbrechen etwa aus eigener Initiative begangen haben?", fragte Putin und machte Chodorkowski damit zum Hintermann des Kapitalverbrechens. Die russischen Gerichte seien die humansten der Welt, fuhr er fort. Für ähnliche Verbrechen hätte in den USA der Finanzbetrüger Bernard Maddoff 150 Jahre Haft erhalten.
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